Manfred Albersmann

Lobberich als Ortsteil von Nettetal liegt im westlichen Kreis Viersen. Der Kreis Viersen liegt zwischen Maas und Rhein im Rheinischen Tiefland, gerade da, wo die Oberfläche besonders vielfältig erscheint und Zeugnis ablegt von der zwar jungen, aber bewegten erdgeschichtlichen Entwicklung. Diese begann im Oligozän (Tertiär) vor etwa 25 Millionen Jahren mit Ablagerung von Meeressanden in der Rheinischen Bucht des Tertiärmeeres. Wir kennen sie als Formsand und in verfestigter Form als Liedberger Sandstein oder Quarzit, der im Untergrund in einer riesigen Schwelle ansteht, die nach Nordosten bis jenseits des Rheins reicht. Im Miozän, der folgenden Periode des Tertiärs, setzte eine Gebirgserhebung ein, hauptsächlich im Bereich des bis dahin nur sanft-hügeligen Rheinischen Schiefergebirges. Auch unser Bereich wurde gehoben - und das Meer ging mehr und mehr zurück; in Küstennähe entstanden Braunkohlenmoore und unsere älteste Flußterasse. Während der Hebung zerbrach die Scholle an Südost-Nordwest gerichteten Bruchlinien (Verwerfungen) in Horste und Gräben: Roergraben, Erkelenz-Brüggener Horst, Graben von Venlo, Viersener Horst. Im Grabenbereich wurde im Miozän und im folgenden Pliozän aufgeschottert, während die Senkung fortschritt. Im damaligen Mündungsbereich der Maas wurde die Reuvertonne abgesetzt, die den Rohstoff für die Tonröhrenindustrie im Grenzwald bildet.

Die Täler von Nette und Schwalm waren in der Hauptterasse bereits angelegt, als die Heraushebung der Horste die Flüsschen zwang, sich immer stärker einzuschneiden, um weiterhin ihre Erosionsbasen zu erreichen. Als schließlich nach der letzten Eiszeit die Scholle des Venloer Grabens weiter absackte, wurden die Oberläufe in der Grabenzone angestaut, und es entstanden die vier Netteseen und der Hariksee. Nach übereinstimmendem Urteil der von verschiedenen Fachgebieten herkommenden Forscher darf heute als sicher gelten, dass das niederrheinische Tiefland in der nacheiszeitlichen Warmzeit, ehe noch ein Mensch hier wohnte, eine geschlossene Waldbedeckung trug. Auch die wenig tiefgründigen Lößplatten, die unter der Einwirkung des atlantischen Klimas bald verlehmten, waren bewaldet. In den Niederungen gedieh undurchdringlicher Bruchwald, an Gewässerläufen Pappel-Weiden-Auewald, an den Terassenrändern mäßig feuchter Eichen-Hainbuchenwald, auf mittelschweren Braunerdeböden der Niederterassen der für den Niederrhein so typische Eichen-Hülsenwald.

Von dem ersten Menschen - oder einem der ersten, die auf der Jagd nach Großwild in der eiszeitlichen Tundra bis auf die Maashöhen kamen, ist uns nur ein bescheidenes Anzeichen in Form eines großen rundlichen Feuersteinschabers und eines kleinereren Bruchstücks überliefert. Sie lagen auf der Haupterasse, wo Deckschichten fehlen oder vielleicht Flugsand in jüngerer Zeit wieder vom Wind abgetragen worden ist, vermutlich an ursprünglicher Stelle nahe einem ehemaligen Wasserlauf. Ihre Kanten sind noch scharf: sie haben keinen Wassertransport durchgemacht, und auch der Wind hat nicht mit Triebsand ihre Oberfläche beschliffen. Das Ausgangsmaterial beider Artefakte ist Maas-Feuerstein. Beide Artefakte gehören in das Mittelpaläolithikum, darüber hinaus ist eine kulturelle Einordnung nicht zweifelsfrei möglich. Am ehestens weisen die gefundenen Stücke auf das Jungacheuléen hin, das nördlich unseres Fundortes in Goch und südlich in den Kreisen Erkelenz, Jülich und Geilenkirchen belegt ist. Problematisch bleibt noch, welcher Kälteperiode der Kaldenkirchener Fund zuzuordnen ist: In Frage kommt die Zeit des Abklingens der Saale-Kaltzeit (Warthe-Stadium) oder der Beginn der Weichsel-Eiszeit.

Als die letzte Eiszeit schon längst abgeklungen war und sich das Klima allmählich soweit gebessert hatte, dass die Landschaft eine geschlossene Vegetationsdecke trug, in der sich eine artenreiche Tierwelt ernähren konnte, stellte sich auch der Mensch ein und fand wenigstens das Notwendigste zum Leben: ein erträgliches Klima, das unserem heutigen ähnlich war, Jagdtiere und in den nun nicht mehr eisigen Gewässern Fische, dazu Pflanzennahrung, die er zur rechten Zeit pflücken, einsammeln oder ausgraben musste. Seine Geräte bestanden vermutlich größtenteils aus Holz oder Knochen bzw. Geweih. Zeugen menschlicher Besiedlung in der mittleren Steinzeit wurden in Bracht, Kaldenkirchen, St. Hubert und Tönisberg gefunden. Bei den Artefakten handelt es sich um Randschaber, Pfeilspitzen, Mikrolithen (Kleingeräte), die auf die Rössener Kultur hinweisen, alles jedoch sind einzelne Kleingeräte wobei nirgends ein geschlossener Schlag- oder Wohnplatz des Mesolithikums gefunden wurde.

Während das Klima weiterhin etwas milder wurde - das nacheiszeitliche Optimum erreichte es am Ende des Neolithikums und zur Bronzezeit - machten Menschen sich sesshaft. Sie hatten mit Hilfe ihres ersten Haustieres, des Hundes, Tiere gezähmt und hielten sich Rinder, Ziegen und Schweine, so dass Jagd und Fischfang nur noch zur Ergänzung des Fleischbedarfs betrieben wurde. Daneben gab es mehr und mehr Pflanzennahrung aus planmäßigen Anbau von Getreide und allerlei Gemüsen. Auf dieser selbstgeschaffenen, breiteren Ernährungsbasis war das Leben der Steinzeitbauern nicht mehr ausschließlich Kampf um Existenz, sonder nahm freundlichere Züge an. Wir sind geneigt, von da an von Kultur zu sprechen, die in allen menschlichen Hinterlassenschaften ihren Ausdruck findet. Da Sprache und Volkstum der Steinzeitmenschen uns bisher verschlossen blieben, werden sie nach ihren typischen Hinterlassenschaften benannt: Die Bandkeramiker sind die ersten Ackerbauern auf den fruchtbaren Lößboden; ihnen folgte sehr bald im Frühneolethikum die artverwandte Rössener Kultur.

                  
                                              Bandkeramik

Beide sind von Mitteldeutschland an den Rhein gekommen; mehr vom Süden dringt im Mittelneolethikum die Michelsberger Kultur rheinabwärts vor, deren Träger gleichfalls als Ackerbauern bezeichnet werden. Im Spätneolethikum sind es norddeutsche Einwanderer, die überwiegend von der Viehzucht leben und links des Rheins unter Beeinflussung durch die von Süden, letztlich aus Spanien zugewanderte (und bis nach England gelangte) Glockenbecherkultur, die Rheinische Becherkultur entfalten. Diese über den Rhein gekommenen Weidebauern werden vielfach als Schnurkeramiker bezeichnet. Unsere Einwanderer sind Abkömmlinge der Jütländischen Einzelgrabkultur, die in Norddeutschland weit verbreitet ist. Die Rössener Kultur ist ausschließlich im Westkreis vertreten (Kaldenkirchen, Bracht, Brüggen). Die Michelsberger Ackerbauern des Mittelneolithikums haben bevorzugt die Mittelgebirgslandschaften besiedelt und findet sich in der Provinz Limburg (Niederlande) und vereinzelt im Grenzwald bei Bracht. Relativ reich ist die Rheinische Becherkultur des Spätneolithikums mit 35 Fundstellen im Kreis vertreten.

                               
                                 Glockenbecherkultur - Frühphase

Ein getreues Bild der für die letzte Phase der Jungsteinzeit typischen Mischung der Kulturen liefert der hervorragende Depotfund oder Hort, der 1926 von Albert Steeger (*1.11.1885 in Lobberich, +15.3.1958 Krefeld) beim Bau einer Umgehungsstraße in der Nähe des heute abgerissenen Lobbericher Bahnhofs auf Lobbericher Gebiet gefunden wurde. Er besteht aus 13 Einzelgegenständen (Axthammer, Steinbeil, zwei Feuersteinbeile, große Feuersteinklinge, drei Meißel, Klingenschaber, vier Feuersteinabschläge); A. Steeger fand den steinzeitlichen Hort in einer senkrechten Böschung in etwa 50 cm Tiefe. Anzeichen einer Besiedlung konnte Steeger jedoch trotz mehrjähriger Untersuchung des Geländes nicht feststellen. Die Streufunde scheinen jedoch dafür zu sprechen, dass steinzeitliche Menschen in der Nähe wohnten. Der hier angedeutete Mischcharakter des Depotfundes, der u. a. jütländische, mitteldeutsche und westeuropäische Einflüsse aufweist, wird durch weitere, im früheren Kreisgebiet sichergestellte Funde der späteren Jungsteinzeit bestätigt.
        
                               Der Steinzeitfund von Albert Steeger

        
                            Urne mit Beigaben gefunden in Lobberich

G. Loewe hat für diese Zeitperiode zahlreiche Besiedlungsreste festgestellt; sie verteilen sich in besonderer Dichte über den bereits erwähnten Grenzwald, lassen jedoch auf für das übrige Gebiet der Schwalm-Nette-Platte - was auch vereinzelte Funde auf Lobbericher Gebiet ausweisen - die Annahme einer lockeren Besiedlung zu: Der Unterteil eines Bechers wurde beim Bau eines Bunkers östlich der Neumühle im Entwässerungsgraben zum See gefunden. Beim Rübenhacken fand G. Vanderbeek, Vierhöfe, auf ziemlich ebenem Gelände nördlich vom Königsweg ein Feuersteinbeil vom westeuropäischen Typ mit Schmalseiten. Im unteren Teil des Südhanges zum Pletschbach fand M. Bertges, Rennekoven, in den 30er Jahren einen grauen Steinhammer bei einer Rübenmiete.

Funde aus der ersten Hälfte der Bronzezeit (1700 - 800) sind im Niederrheingebiet verhältnismäßig selten und daher an sich für eine siedlungsgeschichtliche Aussage ungeeignet. Erst um 1000 setzt ein starker Bevölkerungsstrom ein, der seine Ausprägung in der in die Eisenzeit (ab 800) überleitenden, mehrere Jahrhunderte andauernden Niederrheinischen Grabhügelkultur findet. Der für diese Kultur allgemein geltenden größeren Häufigkeit der Altertümer entsprechend, lassen sich auch in Lobberich u. a. ein eisenzeitliches Brandgrab gefunden. Als Urne diente eine tiefe Schüssel mit schräger Wandung. Als Beigefäße fand man einen Kumpf mit flachen Rillen auf der Schulter und ein kleines napfförmiges Beigefäß. Bei Bauarbeiten an der Westseite des Werner-Jäger-Gymnasiums wurde in 90 cm Tiefe eine Hallstatt-Urne gefunden, ein terrinenförmiges Gefäß mit schwach ausladendem Steilrand.

                                          
                                                  Kumpf der Bandkeramik

Die von den römischen Schriftstellern (u.a. Tacitus) bezeugte, in den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende einsetzende Einwanderung von Germanenstämmen in das Niederrheingebiet hat archäologisch keinen Niederschlag gefunden. Größere Funde treten erst wieder auf, nachdem das Gebiet bis zum Rhein dem römischen Reich eingegliedert war. In einem ebenen Gelände der Ziegelei Thelen nördlich neben der Straße nach Süchteln wurde römische Siedlungsreste gefunden: Ziegel, Gefäßscherben, Eisenschlacken und ein runder Brunnen. Am Bocholter Viehweg nach Sassenfeld wurde ebenfalls ein Brandgrab angeschnitten: Schüssel mit innen wulstig-verdicktem Rand, eine dunkelrote Tasse und der Unterteil einer Amphore oder eines großen Kruges. Beim Hausbau am Westrand des Ortes im Weberfeld wurde in 1,60 m Tiefe ein Brandgrab zerstört: Bei der Nachsuche wurde das Randstück eines Doliums, wohl Reste der Urne, ein schlanker Henkelkrug, die Henkelscherbe eines Honigtopfes, die Randscherbe einer Pelvis und ein zugehöriger Kochtopf (vermutlich verschleppt) gefunden. Zwischen Rennekoven und Dyck am Osthang eines seichten Grundes, der sich zum Pletschbach öffnet, fand man auf etwa 100 x 100 m Ziegelstreuung und Siedlungsscherben: Randscherben zweier Kochtöpfe, Schüssel, Randscherbe einer Kragenpelvis, Randscherben mehrere Pelvisse. In der Nähe der Kahrstraße (auch Heerstraße genannt, die westlich Dornbusch, am Könes und Bröckelshof, westlich Oberbocholt in Richtung Hübeck führt, gilt als Römerstraße; es haben sich jedoch bis heute keine Belege für ihr römisches Alter finden lassen) wurden zwei Münzen gefunden: ein Sestertius des Hadrianus (117-138) und ein Sestertius des Maximinus (235-238).

            
                 Sesterze des Hadrianus                 Sesterze des Maximinus

Die Keramik Lobberichs zeigt - wie auch die des übrigen Kreisgebietes - in stilistischer Hinsicht römisches Gepräge. Man könnte daraus auf römische Siedler, genauer: auf Soldaten schließen, die damals in den in der Nähe und zum Schutz der Straßen errichteten Benefiziarstationen ihren Dienst taten. Hierzu würde in der Tat die Nähe der Lobbericher Siedlungsreste zur angenommenen "Römerstraße" passen, wogegen die heute noch zugänglichen Grabfunde weiter entfernt liegen. Gegen die Annahme von Benefiziarstationen aber könnte einmal der Umfang des aufgedeckten Siedlungsgeländes zwischen Dyck und Rennekoven, zum anderen das häufige Vorkommen von Reibschalen sprechen, die vorwiegend zur Käsezubereitung verwandt wurden, woraus man auf eine auf Viehzucht ausgerichtete Bewirtschaftung und Lebensweise der Bewohner schließen könnte. Es ist also möglich, dass das Gebiet um Lobberich damals von germanischen Bauern oder allenfalls römischen Veteranen in Einzelhöfen bzw. kleineren Siedlungen - wie eben der Umfang des erwähnten Siedlungsgeländes vermuten lässt - bewohnt wurde. An eine allzu dichte Besiedlung des Lobbericher Raumes sollte jedoch nicht gedacht werden, da er militärisch zu weit abgelegen und in landwirtschaftlicher Hinsicht nicht fruchtbar genug war (was im Übrigen auch für den Kreis Geldern zutrifft), da er außerhalb der fruchtbaren Lößzone (Gebiet zwischen Bonn, Euskirchen, Aachen im Süden und Rheydt im Norden) lag.

Die Unterwerfung des linksrheinischen Gebietes erfolgte im wesentlichen unter Cäsar (*13.7.100 v.Chr.+15.3.44 v Chr.), der im Verlauf der gallischen Eroberung auch die den Grenzraum bewohnenden Moriner, Menapier, die aus rechtsrheinischem Gebiet eingefallenen Usipeter und Tencterer und schließlich die Eburonen vernichtet, bzw. vertrieben hatte. Nach Fahne bewohnten zu Zeiten des Julius Cäsar (58 - 51 vor Christus) die Menapier die Gegend von Lobberich.

                                  
                                       Büste von Gaius Julius Cäsar
                                       Nationalmuseum von Neapel

Die Menapier bewohnten im letzten vorchristlichen Jahrhundert die damals sumpfigen und stark bewaldeten Niederungen an Niederrhein, Niers, Maas, Kleiner und Großer Nette, bis hin zu Schelde und Leie/Lys im heutigen Flandern. Ihr Gebiet erstreckte sich etwa von Gent im Westen bis zum Rhein bei Emmerich, im Osten und endete im Norden am Rheindelta und im Süden nördlich von Eifel und Ardennen. Ihr Hauptort Castellum wurde in der Spätantike verlassen (Überreste sind gleichwohl erhalten). In diokletianisch-konstantinischer Zeit wurde dann Turnacum, ein ehemals römischer vicus, neuer Hauptort.

    
                                                       Germanien zur Römerzeit

Das geringe Fundgut macht deutlich, dass nach Abschluss dieser kriegerischen Unternehmungen die Bevölkerung unseres Gebietes stark dezimiert war. Eine Phase des inneren Aufbaues folgte unter Augustus (*23.9.63 v. Chr. +19.8.14 n. Chr.), der im Gegensatz zu Cäsar erstmals auch germanische Stämme auf linksrheinisches Gebiet umsiedelte.

                           
                           Augustus, Kapitolinische Museen, Rom

Nach ihrer vernichtenden Niederlage in der Varusschlacht (bei Kalkriese zwischen Osnabrück und Bramsche) im Jahre 9 n. Chr. und der im Jahr 16 n. Chr. von Kaiser Tiberius verfügten Einstellung der Germanenoffensive gaben die Römer mit dem Ziel der Elbgrenze auch die Lager an der Lippe auf. Stattdessen wurde der Niederrhein als Grenze ausgebaut.

   
                   Ort der Varusschlacht - Kalkriese bei Osnabrück

Schon vorher war er ein Schwerpunkt beim römischen Ausgreifen nach Germanien gewesen. So stellen z. B. in Xanten und Haltern stationierte Legionen das Hauptkontingent bei der Varusschlacht. Das Niederrheingebiet mit seinen militärischen und verwaltungsmäßigen Schwerpunkten in Köln und Xanten gehörte zunächst zu Gallien.

Im Jahre 69 n. Chr. finden sich in unserer Gegend die Gugerner, Verbündete des Julius Civilis. Julius Civilis führte im 1. Jahrhundert einen germanischen Aufstand gegen Rom an. Er stammte aus einem vornehmen batavischen Geschlecht und war Präfekt einer Auxiliarkohorte. Der südliche Bereich der um 85 n. Chr. gebildeten römischen Provinz Germania Inferior war geprägt von intensiver Landwirtschaft, während im bis an die Nordsee reichenden nördlichen Teil die extensive Weidewirtschaft überwog. Die ertragreichen Höfe lagen vor allem in den Börden um Jülich und Zülpich, der sogenannten Lößzone zwischen Rhein und Maas. Angebaut wurden Getreide (vorrangig Dinkel) Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen, Linsen) Ölpflanzen (Lein und Mohn) sowie Gemüse. Für die Fleischversorgung wurden Geflügel, Schweine und Rinder gehalten, sowie Schafe, deren Wolle der Textilherstellung diente. Die ausgedehnte Agrarwirtschaft ging weit über den Eigenbedarf hinaus. Sie sicherte zum einen die Versorgung der Armee, nicht zuletzt durch die Lieferung von Reit- und Zugtieren, zum anderen belieferte sie die urbane Bevölkerung in den vici, in denen in der Regel keine Agrar- oder Viehwirtschaft betrieben wurde.

     
                   Die Germanenvölker an der Grenze des Römischen Reiches
 

Es waren insbesondere die zivilen Siedlungen, die canabae, in denen nicht nur Frauen und Kinder, sondern auch Handwerker, Händler, Gastwirte und Veteranen lebten, die von grenzüberschreitender Bedeutung waren, indem sie die friedlichen Kontakte auf wirtschaftlichem und zivilisatorischem Gebiet zwischen Römern und Germanen förderten. Das Hinterland war eindeutig von zivilen Strukturen bestimmt, die die Kultur der einheimischen Stämme überlagerten. Zu nennen sind hier besonders das Straßennetz und die zivilen Siedlungen, aber auch die römischen Gutshöfe (villae rusticae) und technische Bauwerke, z.B. die Wasserleitung aus der Eifel nach Köln.

Fahne schreibt über die Folgen der Römerherrschaft und das "Aufblühen Deutschlands":

Um den Einfluss zu würdigen, den die Römerherrschaft auf unser Vaterland geübt hat, ist vorab, ohne Vorurteil, gerecht in Lob und Tadel, das Auge auf die Beschaffenheit des Landes zu richten und auf die Bildungsstufe seiner Bewohner, zur Zeit als die Römer einschritten. Es wurde uns dabei zunächst das Bild erheben, welches Tacitus und andere von unseren Vorfahren entworfen, wenn sie ihren mächtigen, tadellosen Körperbau, ihre überwältigende Nervenkraft und den dadurch bedingten kriegerischen Geist, ihre Sittsamkeit, Offenheit, Gastfreundschaft, einfach Lebensweise, Familienverhältnisse, Gemeinde-Einrichtungen und dergleichen besprechen. Es werden uns aber auch die daneben gezeichneten Schattenseiten erschrecken und zu der Überzeugung nötigen, dass ohne die römische Dazwischenkunft die deutsche Nation, ein Spielball kleinlicher Verhältnisse, ihre Sendung zu erfüllen nicht im Stande gewesen wäre. Die Natur des Bodens hat sich freilich in Folge dessen nicht geändert, er war damals, wie noch jetzt, entweder Sand oder Moor oder fettes Land, von einem meist grauen, regnigten, nebligem Himmel überspannt, häufig von Ungewittern und Stürmen heimgesucht, aber das Volk, welches ihn bewohnte, liebte wenig die Cultur; daher war der größte Teil des Landes Wald, ein nicht minder großer Teil Sumpf, daneben hier und da grüne Wiesen und nur wenig bebauter Acker. Es mangelte an nötiger Eindeichung gegen Fluss und Meer, an Abzugsgräben, Wegen und Straßen; auf den drei fünftel Zeit des Jahres feuchten, fetteren Stellen war ebenö so lange die Verbindung gehemmt. Schon diese climatischen, teilweise jedoch lediglich von der Cultur abhängigen Verhältnisse machten das Land zu einem rauhen, unfreundlichen. Die Bewohner des Landes gingen nackt, nur mit einem kurzen Mantel oder Tierfelle bekleidet, lediglich die Reichsten trugen, abgesehen von den Kriegern, von unten, enganliegende Röcke und Hosen, zuweilen buntes Zeug. Die Weiber unterschieden sich nicht von den Männern, nur ausnahmsweise hüllten sie sich in leinene Gewänder, jedoch so, dass Arme, Schulter und halbe Brust nackt blieben. Die Kinder wuchsen nackt und im Schmutze unter dem Vieh auf, von Erziehung war keine Rede, in der Bildung zwischen Herren und Knechte kein Unterschied; nur wenige konnten lesen und schreiben. Dem Charakter nach war das Volk, worunter vornehmlich die herrschende Classe zu verstehen ist, wild und räuberisch, zur Plünderung, Knechtung und Vernichtung seiner eigenen Stammesgenossen und Verwandten stets bei der Hand, dabei bestechbar, grob und bäurisch, nach verschiedenen Zügen auch grausam und unter Umständen treulos. Es brachte seinen Göttern Menschenopfer, trieb Menschenhandel, war arbeitsscheu und zu dauernden Anstrengungen nicht fähig, wegen Trunksucht leicht verführbar, spielsüchtig, jedoch nicht ohne Klugheit und Gewandtheit. Gärten, Obstpflanzungen, künstliche Wiesen bestanden nicht, wohl aber fand sich wildes Obst vor, auch Rettig und Zuckerrübe in besonderer Güte und vorzügliches Futterkraut. Die Viehzucht stand noch tief. Das Rindvieh, worauf man großen Wert legte, war unansehnlich, die Pferde klein. Auch Schafe scheinen vorhanden gewesen zu sein, sonst werden erwähnt Gänse und deren Daunen in größter Vollkommenheit, Hunde, welche die Wagen verteidigen und ungeheure Honigscheiben, Drosseln im Winter, hierzu vieles Wildprett und Fische. So der Zustand, als die Römer auftraten.

Zur Erreichung ihres Zieles waren große Veränderungen notwendig; Verbesserungen, die mit aller Macht des Geldes und der Körperkraft in kürzester Frist vollendet werden mussten, wenn nicht das ganze Unternehmen mit den dabei Beteiligten, wenn nicht der ganze Staat, in Folge der sonst unüberwindlich werdenden Kraft der Gegner in Frage gestellt werden sollte. Es galt nicht allein feste und sichere Wege zu bahnen, mächtige Flüsse zu regeln und ungefährlich zu machen, sichere und ausreichende Niederlassungen und Stützpunkte zu gründen, für deren Unterhalt genügend Lebensmittel und Kriegsbedürfnisse zu ermöglichen, die Beherrschung des Meeres zu vermitteln, die climatischen Verhältnisse durch eine durchgreifende Cultur zu mildern und dabei nicht die Genüsse außer Acht zu lassen, durch deren Befriedigung denjenigen, die ihre Kräfte für das Unternehmen einsetzen mussten, es immer leichter wurde, die rauhen Zustände des Landes, in welchen sie zu harren hatten, fortschreitend erträglicher zu machen, deshalb dessen Character zu studieren und, nächst anfänglicher Strenge, durch Lehre und Beispiel für sich zu gewinnen.

Die Römer haben ihre Aufgabe gelöst. Sie haben ein großes Straßennetz geschaffen, den Rhein, die Waal in feste Ufer gebannt, großartige für die Unterhaltung des Landes und seine Zukunft maßgebende Canäle gegraben, die Oeden in Flure verwandelt und mit Niederlassungen bedeckt, den Ackerbau und die Gärtnerei gehoben, Baukunst hergebildet, Weinbau, Gewerbefleiß und Handel geschaffen, den Gesichts- und Ideenkreis der Deutschen durch Unterricht, Theilnahme an der Verwaltung und Kriegsführung erweitert und zur Ausbildung der unberührt gelassenen, einheimischen Rechte und Institutionen höher befähigt, durch die Aufstellung geordneter Heere und deren gemeinnützliche Tätigkeit auf bessere einheimische Einrichtungen und auf die Notwendigkeit des Zusammenhaltes und dessen Vermittlung durch Bündnisse (Frankenbund, Sachsenbund) hingewiesen, insgesamt eine Menge Wohltaten dem Lande erzeugt, deren Früchte freilich erst nach vielen Jahrhunderten, jedoch nicht durch römische, sondern deutsche Schuld so spät, und nur zu einem Teile allmälig zur Reife gebracht werden konnten.

Das von den Römern "eroberte" Land musste natürlich "behauptet" werden. Aus diesem Grunde legten sie am linken Rheinufer eine Reihe von Festungen an, die eine starke Besatzung hatten und durch "Heerstraßen" in Verbindung standen.

                          
                        Das "Milarium Aureum" - Ausgangspunkt aller Römerstraßen

Von diesen Festungen ist für unsere Gegend "Fürstenberg" bei Xanten (castra vetera) bemerkenswert, von wo aus eine "Heerstraße" sich nach Tüddern bei Sittard (Holland) - theudorum - hinzog, deren beide ersten Stationen "Mediolanum" (Dartmanshoydt bei Pont) und "Sablones" (Sand bei Straelen) waren. Die Straße berührte auch das Gebiet der heutigen Stadt Nettetal - nämlich den Ortsteil Leuth, und zwar westlich des Hofes Brand.

Lobberich selbst durchzieht eine allem Anschein nach unbedeutendere, aber bis heute erhaltene "Römerstraße", deren Alter und Gesamtverlauf umstritten sind. Sie führt von Dülken kommend, über die südöstliche Ausbuchtung des Gemeindegebietes, durchzieht anschließend westlich von Dornbusch Süchtelner Gemeindegebiet und berührt dann erneut die Lobbericher Gemarkung, wo sie westlich an Bröckelshof vorbei zwischen Nieder- oder Oberbocholt verläuft, um sich auf Hinsbecker Gebiet in Richtung Flootsmühle fortzusetzen. Während vor allem die älteren Überlieferungen die Entstehung dieser Straße aufgrund verschiedener Befunde in der Römerzeit ansetzte, ist Loewe der Auffassung, dass sie jüngeren Datums ist und allenfalls die Nachfolgerin einer uns nicht mehr erkennbaren Römerstraße auf dem Viersener Horst.

A. Fahne beschreibt diese Straße in der Abhandlung über die Burg Bocholtz wie folgt:
Diese merkwürdige Straße ist noch jetzt im Volke, welches glücklicher Weise ein viel besseres Gedächntnis hat, als ma es sonst zu finden pflegt, bekannt. Sie tritt, von Nimwegen kommend, zwischen Weeze und Goch, ohne den letzteren Ort zu berühren, in den Kreis Geldern, berührt die Orte Maria-Wasser (ehem. Kloster und Gut bei Weeze), Wemb, Twisteden, Walbeck, Stralen, übersteigt den Boichberg (Buschberg), indem sie das Dorf Heringen im Thale rechts lässt, überschreitet bei Volhardsmühle (Flootsmühle) , nahe bei Krickenbeck die Nette, durchschneidet die Gemeinde Hinsbeck, ohne das Dorf zu berühren, geht vor der Burg Bocholtz, welche sie rechts am Wege lässt, vorbei, und tritt dann in den Kreis Kempen, und von dort in der Richtung zwischen Viersen und Dülken in den Kreis Gladbach. Auf der bisheran beschriebenen Strecke ist sie überall noch Feldweg zwischen 20-24 Fuss breit und als Carlsstrasse bekannt (Als solche ist sie auch in der Karte des Kreises Geldern von dem Premier-Lieutenant M. Buyt in Nieukerk, eingetragen).

Auch "Finken" ist der Auffassung, dass die sogenannte "Carls"- auch "Steinstraße" eine alte "Heerstraße" von Aachen nach Nymwegen ist.

Nicht zu verwechseln ist diese Straße mit der allgemein bekannten römischen Straße von Aachen nach Tongern und Nymwegen (in den Annalen der Abtei Klosterrath via lapidea genannt)

Die hoffnungsvollen Siedlungsansätze der frühen Kaiserzeit finden mit den Einfällen der Franken in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts ihr jähes Ende. Seit etwa 200 n. Chr. begannen sich einige der kleinen westgermanischen Stämme entlang der römischen Grenze, etwa die Chamaver, Tencterer, Usipeter, Sugambrer und Gugerner (Gregor von Tours II. rechnete auch die Bructerer, Amsivarier und Chatten dazu) zu einem größeren Stammesverband zusammenzuschließen der sich selbst als Franken (die Mutigen, später die zusammengetretenen Freien) bezeichnete. Unter dem Namen Franken erscheinen sie zum ersten Mal 238 n. Chr. und durchstreifen von da an immer zahlreicher und häufiger, dabei stets verwüstend und plündernd nahe und ferne Gegenden (254 - 257 sogar in langen Raubzügen durch Gallien, Spanien bis Afrika).

Nach der "Notitia Galliarum" (Provinzenverzeichnis des Polevius Silvius, 254 n. Chr.) hatte die Provinz Germania II zu Ende der Römerzeit (ca. 400) zwei civitates: als metropolis die civitas Agrippinensium (Köln) und die civitas Tungrorum (Tongeren). Das für unser Gebiet interessante Gebiet des Archidiakonates Xanten wird man aufgrund der späteren Diözesanzugehörigkeit als Teil der civitas Agrippinensium ansehen dürfen.

Wie bereits gesagt, hat die archäologische Bestandsaufnahme für das "geldrische Land" ergeben, dass das Binnenland zwischen Rhein und Maas nahezu siedlungsleer gewesen ist; erst für das zweite Drittel des 4. Jahrhunderts sind wieder einige Funde zu verzeichnen (Geschwendt 93 f.). Anscheinend hat man sich bei der Reparatur der römischen Herrschaft unter Diokletian und den Konstantinen darauf beschränkt, einige feste Plätze an der Rheinstraße wieder einzurichten. Nach dem Bericht des Ammianus Maracellinus (XVII 9, 1, 3) hat der Caesar Julianus (von Kaiser Konstantin im Jahre 355 zum Caesar ernannt) 358 die durch die Franken (355) zerstörten civitates (=castra): Castra Herculis, Quadriburgium, Tricensima, Novesium etc. wiederhergestellt; wir können aber - leider - keinen dieser Plätze genau nachweisen. Ebenso wenig wissen wir, ob die Angaben der "Tabula Peutingeriana" des Ravennas über die Plätze an der Straße Köln-Nimwegen: Noviomagi (Nijmwegen), Arenatio (Rindern), Burginatio (Monreberg bei Kalkar), Colonia Traiana (bei Xanten) Veteribus (Birten), Asciburgio (Asberg bei Moers), Novesio (Neuß) für die Zeit nach 358 überhaupt noch gelten. So ist z. B. die Colonia Traiana (bei Xanten) in der ersten Hälfte des 4. Jdhs. noch bewohnt, nach einem Frankeneinfall (vor 428) jedoch abgebrannt (H. Hinz, "Xanten zur Römerzeit", 1967). Christliche Gemeinden dürfen wir allem Anschein nach nur in den "castra" suchen.

                  
                                                          Das römische Reich um 395

Ob man nun das faktische Ende der römischen Herrschaft am Niederrhein 457/458 mit der Besetzung Kölns oder das offizielle 487/487 mit der Besetzung des letzten römischen verwalteten Gebietes im nördlichen Gallien durch den Franken Chlodwig ansetzen will: Wenn römische Herrschaft Formung des Lebens bedeutet hatte, so war sie schon lange im Schwinden. Die radikale Verminderung des Geldumlaufs, das Fehlen fast aller Funde, die auf römische Zivilisation zwischen den eindringen heidnischen Franken und der eingesessenen (christlichen?) Bevölkerung, die Organisation bis zur Eingliederung in das Reich Chlodwigs und seiner Söhne und die Bekehrung der Franken nach der Taufe Chlodwig I. (498), alles bleibt für uns wie verhangen.

Chlodio, König der Franken, im Lande der Menapier, residierte nach Gregor von Tours ("Zehn Bücher Geschichte "Geschichte der Franken") zu Dispargum (Disburg bei Disheim bei Tongeren; oder auch Duisburg nach Joseph Milz "Neue Erkenntnisse zur Geschichte Duisburgs"), eroberte 445 das Gebiet der Nervier und verlegte seinen Sitz nach Cambrai wobei er sein Reich bis zur Somme ausdehnte. Meroving (Meroveus), wahrscheinlich sein Neffe, schlug bei Chalons 451, unter Beihilfe des römischen Feldherrn Flavius Aetius, den Hunnenkönig Attila. Sein Sohn Childrich I. wurde sein Nachfolger, heiratete Basina, die Frau des Tongern-Königs Basinus, welche diesem entlaufen und Childrich nachgereist war im Jahre 481. Aus dieser Ehe ging u.a. Chlodwig I. (Clovis) (*466 n. Chr.) hervor, der König der Franken im Lande der belgischen Menapier war und zuerst in Tourney residierte. Chlodwig I., König der Franken im Lande der belgischen Menapier, residierte zuerst in Tournai, besiegte 486 bei Soissons, unter Beihilfe seines Anverwandten Ragnachar, König der Franken im Lande der Nervier, den römischen König Syagrius, 491 die Tongern, 496 die Alemannen bei Zülpich, 507 die Westgoten, verlegte seine Residenz nach Tours und zuletzt nach Paris.

Der Übertritt des fränkischen Königs Chlodwig I. im Jahre 498 oder 499 n. Chr. zum Katholizismus statt - wie bei den Germanen damals üblich - zur arianischen Form des Christentums war eine wichtige Weichenstellung für den weiteren Verlauf der mittelalterlichen Geschichte.

                            
                                        Taufe Chlodwig I.

Durch Ruchlosigkeit, gemeine Ränke und Mord brachte er sämtliche fränkischen Königreiche an sich, namentlich jene im Lande der Tongern (Residenz Cambray), der Nervier (Residenz Bavay), der Moriner (Residenz Teruanne) und der Ubier (Residenz Cöln) und machte auch die Sachsen tributbar. (Fahne).

Doch vermutlich erst rund 100 Jahre später begann das Christentum auch im Gebiet von Maas und Niederrhein wieder Fuß zu fassen. Maßgeblich daran waren Mönche von den Britischen Inseln beteiligt. Die erste Phase wurde von der Missionstätigkeit iro-schottischer Mönche eingeleitet. Am Niederrhein wird jedoch ein Einfluss der iro-schottischen Mönche nicht fassbar. Von sehr großer Bedeutung hingegen wurde das Wirken der angelsächsischen Missionare in der Nachfolge Wilfried II. von York. Besonders seinem Schüler Willibrord, dem "Apostel der Niederlande" ist es zuzuschreiben, dass die Christianisierung im Bereich des Niederrheins vorangetrieben wurde und dass die kirchliche Organisation hier von Anfang an nach römischem Muster ausgerichtet war. Gefördert wurde er dabei von dem fränkischen Hausmeier Pippin dem Mittleren. Schon der Kölner Bischof Kunibert hatte in Utrecht, am Standordt eines ehemaligen römischen Kastells, eine Kirche gegründet. Jetzt, unter Willibrord, wurde Utrecht Bistum und Ausgangspunkt einer vielgestaltigen und weitreichenden Missionstätigkeit, die letztlich auch den unteren Niederrhein betraf.

Nachdem gegen Ende des 5. Jahrhunderts die fränkische Landnahme erfolgt war, setzt, wie die zwar nicht rapide, aber immerhin zu beobachtende Zunahme der archäologischen Funde zeigt, um 700 im fränkischen Reich eine - erneute - Phase des inneren Ausbaus und damit eine stärkere Besiedlung ein, wobei man weniger an Zuwanderungen fremder Stämme als an eine auf die wachsende Wirtschaftskraft gestützte natürliche Vermehrung der fränkischen Bevölkerung zu denken hat.

Es liegen Untersuchungen zu der Frage vor, wie man sich den Besiedlungsvorgang im einzelnen vorzustellen hat. So kam der deutsche Geschichtsforscher Johann Friedrich Böhmer, von einer Überprüfung der fränkischen Grabfelder ausgehend, zu dem Schluss, dass - wofür auch andere Anhaltspunkte vorliegen - die den Rhein begleitenden Niederungen als die zuerst besiedelten Gegenden innerhalb des Niederrheingebietes anzusehen seien.

Für die Beurteilung der Besiedlungsverhältnisse hat die Ortsnamenforschung eine gewisse Bedeutung. Dies trifft insofern in besonderem Maße für die fränkische und frühdeutsche Zeit zu, als nach wie vor die Zahl der gefundenen Altertümer gering bleibt (für Lobberich sind für die Zeit nach der Römerherrschaft am Rhein gar keine datierbaren vorgeschichtlichen Funde mehr festgestellt worden), andererseits die ältesten Ortsnamenszeugnisse nun zahlenmäßig stärker hervorgetreten.

Nach dem Tod Kaiser Ludwigs I. (Ludwig der Fromme) (20.6.840) wurde das Fränkische Reich im Vertrag von Verdun (843) unter seinen Söhnen aufgeteilt. Das Mittelreich fiel mit der Kaiserwürde an Lothar I.. Es erstreckte sich von den niederen Landen (heute Niederlande und Belgien) über Burgund bis zur Kaiserstadt Rom in Italien. Lothar II. erhielt den Teil zwischen Rhein und Maas, der Nordseeküste und Besancon, und nach diesem erhielt es den neuen Namen Lotharii Regnum (Reich des Lothar, auch Lotharingien). Dieses karolingische Lotharingien umfasste außer dem heutigen Lothringen noch das Saarland, Luxemburg, Trier und die (deutsche) Mosel, Wallonien, den Niederrhein mit Aachen, Köln und Duisburg und den Süden der heutigen Niederlande im Bereich Maastricht, Eindhoven, Breda. Nach dem Tod Lothars II. wurde Lotharingien im Vertrag von Meersen  (870) zunächst zwischen dem Ostfrankenreich und Westfrankenreich aufgeteilt.

                    
                                    Die Aufteilung des Fränkischen Reiches nach den Verträgen von
                                                              Verdun und Meersen

Dabei fiel der reichere Osten mit Utrecht, Köln und Straßburg, vor allem mit der Kaiserstadt Aachen an das Ostfrankenreich. 876, nach dem Tode des ostfränkischen Königs Ludwig II. - Ludwig der Deutsche -, versuchte der westfränkische König Karl II. - Karl der Kahle - auch die Osthälfte Lotharingiens zu erobern. In der Schlacht bei Andernach wurde er jedoch von Ludwig III., einem Sohn Ludwigs des Deutschen, geschlagen. 877 starb Karl der Kahle, 2 Jahre danach auch sein Sohn Ludwig II. - Ludwig der Stammler, so dass es Ludwig III. gelingen konnte, im Vertrag von Ribemont 880 auch den Westteil Lotharingiens zu gewinnen. Fortan gehörte ganz Lotharingien zum Ostfrankenreich. Zwischen 900 und 911 zerfiel im Ostfrankenreich unter Ludwig IV. - Ludwig das Kind - die Zentralgewalt, und es bildeten sich Stammesherzogtümer. Auch Lotharingien wurde Herzogtum. Nach dem Aussterben der Karolinger im Ostfrankenreich (911) schloss sich das Herzogtum Lotharingien wieder dem Westfrankenreich an. Nachdem König Heinrich I. die Zentralgewalt im Ostfrankenreich wiederhergestellt hatte, unterwarf sich ihm 925 auch der lotharingische Herzog Giselbert.

Heinrich I. gliederte das Herzogtum Lothringen als fünftes Stammesherzogtum in das Ostfrankenreich ein und stellte damit die territorialen Verhältnisse des Jahres 880 wieder her. Die Karolinger aus dem Westfrankenreich versuchten mehrfach Lothringen zurückzugewinnen. 942 musste Ludwig IV. nach dem Krieg von 940 endgültig auf Lothringen verzichten. 959 wurde das Herzogtum in zwei Herzogtümer aufgeteilt: Oberlothringen (umfasst das heutige Lothringen, die Saar, Luxemburg, Trier, Prüm und Koblenz) und Niederlothringen (im Norden). Die Grenze zwischen beiden verläuft unmittelbar nördlich von Koblenz und Prüm und stößt nordöstlich von Ivois auf die französische Grenze. An der Grenze zum französischen Flandern gehören die Städte Cambrai, Valenciennes, Eename und Antwerpen noch zu Niederlothringen, ebenso wie an der friesischen Grenze Utrecht und Groningen, wo die Grenzlinie nördlich von Kaiserswerth auf den Rhein trifft.

                       
                         Die lothringischen Herzogtümer Ober- und Niederlothringen

Lobberich dürfte sich im sogenannten Mühlgau (Moilla) des Herzogtums Lotharingia befunden haben. Der Mühlgau wurde erstmals im Jahre 837 als comitatus Moilla bei der Reichsteilung Ludwigs des Frommen urkundlich erwähnt. Ludwig der Fromme trat in diesem Vertrag seinem jüngsten Sohne Karl einen Teil des reiches, zu dem auch der "Mühlgau" gehörte, ab: His ita compositis, pater, uti et cum quibus consueverat, imperium regebat. Videns autem, quod populus nullo modo diebus vitae suae illum relinquere, uti consueverat, vellet, conventu Aquis hieme indicto, portionem regni his terminis notatam Karolo dedit. Id est a mari per fines Saxoniae usque ad fines Ribuariorum totam Frisiam, et per fines Ribuariorum comitatus Moilla, Haettra, Hammolant, Masagouwi;

Der "Mühlgau" grenzte südlich teils an den Jülichgau, teils an den Maasgau, westlich an den Maasgau, nördlich an den Attuariergau, und östlich an den Neußergau und Kölngau. Im Westen erstreckte sich seine Grenze längs der Maas über Venlo bis nach Gennep in nordöstlicher Richtung bis zu den Niederungen an den Bönninghardt=Straelen und die geldernsche Vogtei lagen somit noch in diesem Gau. Die Franken hielten nach Vertreibung der Römer in sozialer Hinsicht die altgermanische Einteilung des Landes in Gaue bei, in politischer Beziehung aber teilten sie es in "Grafschaften" ein. An der Spitze einer Grafschaft stand ein vom Könige aus den Begüterten des Gebietes gewählter Beamter, welcher "Graf" hieß. Dieser erhob die königlichen Einkünfte, saß zu Gericht, rief das Volk zu den Waffen, und führte es in den Krieg. Ohne Zweifel sind im Mühlgau, wie in andern großen Gauen, mehrere Grafschaften gewesen. Mit den "Gau-Grafschaften" gingen aber schon seit der Zeit Karls des Großen wichtige Veränderungen vor, welche die Zersplitterung derselben zur Folge hatten. Geistliche und weltliche Herren erwarben nämlich für ihre Grundbesitzungen durch königliche Privilegien die Befreiung von öffentlichen Diensten und Abgaben, völlige Aushebung aus der Gerichtsbarkeit des Grafen usw., und bildeten hierdurch ihre Gebiete zu selbständigen Territorien aus, was auch wohl bei der "Burg Bocholtz", die im Jahre 1096 erstmals erwähnt wird, und dem wohl damals dazu gehörigen Gebiete von Lobberich, der Fall gewesen zu sein scheint.

Auch wohl der Distrikt um Krickenbeck herum ist auf diese Weise wohl ein unabhängiges Gebiet, eine für sich bestehende "Grafschaft" geworden, deren Benennung von der in ihr liegenden Burg Krickenbeck entlehnt wurde. - Die "Annalen von Klosterrath" (Klosterrath war das Hauskloster der Grafen von Saffenberg, deren Sitz die Saffenburg gegenüber von Mayschoß an der Ahr war. Das Geschlecht der Saffenberger stammte aus dem Raum Jülich und gehörte zu jenen Familien, die den Pfalzgrafen, ursprünglicher Sitz Aachen, dienten, die mit der Verwaltung des Reichsgutes beauftragt waren. Dies wiederum war eine Zuteilung, die auf die Gaugrafschaften Karls des Großen zurück zu führen ist. Als Herren von Nörvenich waren sie mit der Aufsicht im Aregau betraut, weshalb sie ihren Verwaltungssitz an der Ahr errichteten, aber das heimatliche Gut behielten), Jahresberichte, die die inneren Vorgänge der "Abtei Rolduc" beschreiben, erwähnen im Vorspann, in dem "Ailbertus" der Gründer des Klosters beschrieben wird, dass dieser Ailibertus vom "Geschlecht her Blutsverwandte des Grafen Gerardus von Gelren, des Goswin von Hemesberch, des Grafen Heinrich von Krikenbach und des Grafen Theodoricus von Clyve, die zugleich auch mit diesen in dieser Zeit (um 1100) gelebt haben. Diese waren nämlich Urenkel der zwei Brüder aus Flandern (Gerardus und Rutgerus), die sich in den Schutz des Römischen Kaisers begaben und von diesem soviel Land zu Lehen übertragen bekamen, dass sie selbst und ihre Nachkommen zu den führenden Leuten dieses Gebietes (Wasenberch und Clive) wurden". Mit "Gelren" dürfte wohl Geldern, mit "Krikenbach" Krickenbeck, mit "Hemersberch" Heinsberg und mit Clyve "Kleve" gemeint sein. (Auszug aus "annales rodenses" von Dr. Franz Heidbüchel und Hermann Kramer, 1990)

Exkurs "Der Name Lobberich"

Nach Fahne (IV.1. Seite 281) ist die älteste Schreibart im Jahr 1219 Loperike, dann 1221 Lubbruch, 1328 Lobrecht, Lobbroik, Lobbrouch. Fahne stützt sich darauf, dass die Ortschaften auf "ich" in unserer Gegend, aus der römischen Endsilbe "iacum" entstanden; so Elvenich aus Albiniacum, Blerich aus Belriacum, Geminich aus Geminiacum, Gressenich aus Crasniacum, Jülich aus Juliacum. Nach dieser Analogie würde Lobberich Luperiacum geheissen haben und dieses würde auf Mumius Lupercus, einem römischen Legaten hinweisen. Weiter ist bei Fahne zu lesen: Das Kirchspiel Lobberich war bis 1794 eine Herrlichkeit, im Lande von Krickenbeck gelegen. Den Namen trägt es von dem Hauptorte, dem Kirchdorfe Lobberich, und dieser scheint aus einer römischen Niederlassung der Familie Lupercus hervorgegangen zu sein. Hierfür spricht der Name, die Thatsache, dass fast alle alten rheinischen Herrensitze sich auf römische Ansiedlungen gründen, das frühe Vorkommen des Orts, die Dedication seiner Kirche an den hl. Sebastian (Sebastian war Hauptmann und wurde im 4. Jahrhundert unter Kaiser Diocletian zu Rom gemartert), die Nachricht, dass dies chon 977 bestehende, dem hl. Laurenz geweihte Pfarrkirche zu Grefrath ihre Tochterkirche ist (Bintrim und Mooren, Erzdiöcese Köln), die Ausdehnung der Lobbericher Latschaft über seine Pfarrgrenzen hinaus, in die Kirchspiele von Hinsbeck, Grefrath, Süchteln und Boisheim, das Vorkommen von Ortschaftsnamen innerhalb seiner Grenzen, welche an römische Verhältnisse erinnern, z.B. Bachusheide, Bachusweg.

Bei dieser Namensableitung von A. Fahne handelt es sicherlich um eine zwar gut gemeinte, aber dennoch recht phantasievolle Konstruktion, die sehr unwahrscheinlich ist. Fahne stützt sich nämlich sehr stark auf die angeblich älteste von 1219 stammende Schreibweise "Loperike" für Lobberich. Die beiden ältesten Schreibweisen finden sich jedoch in zwei Handschriften mit der Gründungsgeschichte der Benediktiner-Abtei St. Vitus in Mönchengladbach, die um 1000 datiert werden. Dort lautet die Schreibweise "Lubbruch" und "Ludebracht", diese dürfte jedoch kaum römischen Ursprungs sein, wie vorstehend bereits dargelegt.

Wenn wir das Alter der Siedlung Lobberich und die Herkunft des Namens betrachten, müssen wir uns der siedlungsgeographischen Untersuchung von Karl Hörnschemeyer anschließen:

Die Funde aus der Römerzeit in Lobberich lassen zwar auf eine kleine Siedlung unweit von Lobberich schließen, diese steht aber kaum in Beziehung zu den heute noch bestehenden Siedlungen. Vielmehr scheinen die ersten dieser Ansiedlungen, gemeint sind hier neben dem Ort Lobberich die zu ihm gehörenden Bauernschaften, nach dem Einfall der Franken in das römische Niederrheingebiet entstanden zu sein. Verschiedene frühfränkische Funde im Lobbericher Ortskern weisen auf den Ursprung der heutigen Siedlung "Lobberich" in fränkischer Zeit hin. Neben diesen Funden ist die ausgesprochene fränkische Siedlungsform der Lobbericher Siedlungen das stärkste Argument. Um dieses darlegen zu können, bedarf es einiger geologischer Vorbemerkungen. Lobberich liegt auf der linksrheinischen Hauptterrasse. Diese Hauptterrassenlandschaft erstreckt sich als großes Dreieck von Mönchengladbach bis zur deutsch-niederländischen Staatsgrenze im Süden und bis nach Straelen im Norden. Die Hauptterrasse ist der Restbestand eines von Rhein und Maas seit Beginn des Pleistozän gemeinsam aufgeschütteten Schwemmkegels. Die aufgeschütteten Schotter beider Flüsse weisen eine Mächtigkeit bis zu 30 Meter auf. Später haben sich beide Flüsse immer weiter in diesen Kegel eingeschnitten und neue tiefer gelegene Terrassen gebildet, auf denen sie dann ihr endgültiges Flussbett ausbildeten. Auf dem verbliebenen Rest der Hauptterrassen bildeten sich durch Ablagerungen von Sand- und Lößstaub teils sandige, teils sandiglehmige Böden. In die linksrheinische Hautterrassenebene haben sich kleine Flüsse eingegraben. Der nördlichste von ihnen ist die Nette, ein linker Nebenfluss der Niers, die in einem weiträumigen Flusstal zwischen Maas und Rhein dahinfließt.

Die Nette und die ihr zufließenden Gewässer, im Lobbericher Gebiet sind es der Ludbach und der Pletschbach, gruben in die Hauptterrasse bis zu 10 m tiefe, verhältnismäßig große Muldentäler. Dadurch erhält die sogenannte "Nette-Ebene" ein flachwellig, hügeliges Relief. In dieser von der Nette entwässerten Hauptterrassenfläche finden sich die Siedlungen fast ausschließlich im Nettetal selbst oder entlang ihrer Seitentäler. Die Gemeinde Lobberich wuchs im Laufe der Jahrhunderte aus folgenden am Ostufer der Nette und an den Seitentälern des Lud-, und Pletschbaches gelegenen Siedlungen zusammen:

an der Nette: Flothend und Sassenfeld,

am Ludbach: Oberbocholt, Niederbocholt, Sittard und Dorf (= Lobberich),

am Pletschbach: Rennekoven und Dyck.

Neben dem mit Sand und Sandlehm bedeckten Hauptterrassenland bildete sich im Nettetal ein zweiter Landschaftstyp aus, nämlich eine mit sehr hohem Wasserstand ausgestattete ausgedehnte zunächst siedlungsfeindliche Bruchlandschaft in den Talmulden, deren erhaltene Reste heute zu den landschaftlichen Kostbarkeiten des Niederrheins zählen. In der Frühzeit der fränkischen Besiedlung kam nur das trockene "Geestland" als Feldland in Frage. Der trockene Sandboden konnte leicht bearbeitet werden. Am Rande des Feldlandes entstanden die Siedlungen. Dabei strebte man danach, den Rand der Niederungen mit dem feuchten Auewald, in dem Erlen, Eichen und Birken vorherrschten, einzubeziehen. Durch diese Mittellage des Wohnplatzes zwischen den höher gelegenen Ackerflächen und dem feuchten und grundwassernahen Niederungsland hatten die Höfe eine hofnahe feuchte Weide.

So sind auch die Lobbericher Dorfsiedlungen dem höher gelegenen Feldland "op de Gier" (Gelände um den Wasserturm) randlich zugeordnet. Diese Siedlungen sind als Bachrandsiedlungen an den Talrändern von Pletschbach, Ludbach und Nette entstanden. Dies ist als Beweis für die Existenz Lobbericher Siedlungen zur fränkischen Zeit anzusehen. Der Name Lobberich, wie auch die Namen der anderen Lobbericher Siedlungen sind aber nicht typisch fränkisch, da Endungen auf "-heim" oder "-innen" fehlen, sondern sie weisen auf die mittelalterliche Rodungszeit des 9. Und 10. Jahrhundert hin. Aus der Mittellage des Dorfes zwischen der ursprünglich waldbestandenen Geestfläche der Hauptterrasse und dem Marschland der Ludbachniederung (noch heute ist das kränkische Wort "Marsch" im Hofnamen "Merschels-Hof", der in der Ludbachniederung liegt, erhalten), lässt sich für "Lobberich" eine wahrscheinlichere Ableitung als die von Fahne angebotene finden.

Die Bezeichnung "Lubbruch, Ludebracht, Lobroike oder Lobroich" leiten sich wohl aus den vorgefundenen natürlichen Gegebenheiten des Siedlungsplatzes ab. "Lo" oder "loh" bedeutet im Althochdeutschen soviel wie Gebüsch, Niederwald, Holz, besonders Eichenholz. (9) Das aus den alten Endsilben "broick oder broich" gebildete "berich" bedeutet wohl zweifellos "Bruch", d. h. ein sumpfiges Gelände, das durch Wasserstauungen in Erdsenkungen oder Mulden mit undurchlässigem Untergrund entstanden ist und Wald trägt. Nach dieser Namenserklärung ist Lobberich die Bezeichnung für die Siedlung im Eichen-Hainbuchenwald (auf der Geest) am Rande des Bruchlandes im Ludbachtal.

Auch das aus dem 10. Jahrhundert überlieferte "Ludebracht" deutet auf die Lage der Siedlung Lobberich in einem Waldgebiet hin. "-bracht" ist das durch Markken und Grenzzeichen abgesteckte Geländestück, das zum Zweck der Rodung und Urbarmachung mit Sonderrechten belegt ist. "Lud" bedeutet wie "Löth oder Leuth" nach Finken ein stehendes oder träge fließendes Gewässer. "Ludebracht" wäre dann die Siedlung, die aufgrund einer Rodung am träge fließenden Wasser (Ludbach) entstanden ist. Auch die erste urkundliche Nennung der Siedlung "Lobberich" stammt aus der Rodungszeit, näherhin aus dem Zeitraum von 986 - 988. Es ist daher anzunehmen, dass die erste Anlage zur heutigen Siedlung "Lobberich" in fränkischer Zeit erfolgte.

Karl L. Mackes hat in einer Abhandlung "Entwicklung und Deutung der Ortsnamen im Westen des Kreises Viersen" für Lobberich angemerkt (Heimatbuch 1992 des Kreises Viersen Seiten 25 ff):

13. Lobberich

vor 1090 Lobbruch (Kop. 1120-40) Lobbruch (Q, S.70); 1221 (Kop. 1720)Lubbrich (G25)
1232 Lothbruche (D57); 1257 Lotbruch (J.S.163; 1291 Lotbruke (V63); 143/44 Lotbroich (X74)
1245 Lobbruch (G45); 1294/95 Lubbruch (N. S.32); 1315, 1338, 1369 Lob(b)ru(e)k (C191 u. 284; E2)
1357, 1474 Lobbroick (O II 83; X 350; 1702 Lobberick; 1737 Lobberich
Der Ortsname besteht zunächst aus dem GW ahd. -bruch, mdn. -broke, brok. Das Wort tritt bereits im Jahre 890 in einem Ortsnamen auf. Es ist in lat. Urk. aus den Jahren 1134 und 1254 mit "palus" = Sumpf übersetzt worden. Das Bruch ist am Niederrhein die mit Bäumen und Sträuchern bewachsene feuchte Niederung entlang der Flüsse und Bäche. Der Bruchsaum an Schwalm, Nette und Niers ist auf den Tranchotkarten aus dem Anfang des 19. Jdh. an Hand der Flurnamen deutlich zu erkennen. Das BW lot-, lut- leitet sich, wie im Ortsnamen Leuth, vin liuht-, lioth (germ. leuthan = hell, licht) = Lichtung ab. Der Doppelkonsonant -b-b in Lubbruch entstand durch Angleichung des Schluss-t in Lot-, an das Anfangs -b in -bruch. Diese Deutung stimmt mit der geographischen Lage überein. Denn die Siedlung entwickelte sich am Rand des Nettebruches. Die bisher übliche Ableitung des Ortsnamens von Ludebracht ist abzulehnen. Denn es handelt sich hier keinesfalls - wie dann behauptet wurde - um den ältesten Namensbeleg. Diese einmalig auftauchende Namensform stammt vielmehr aus einer späteren Kopie der Gründungsgeschichte der Abtei Gladbach, die zur Zeit des 1583 verstorbenen Abtes J. v. Hecken entstand. Außerdem läßt sich dieser späte Beleg sprachgeschichtlich nicht in die Entwicklungsreihe des Namens einordnen. Es kann sich deshalb nur um einen Übertragungsfehler des Abschreibers handeln.