Manfred Albersmann

 

Die Sparkasse nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 - 1970

Das Ende des zweiten Weltkrieges mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8.Mai 1945 brachte die Zerschlagung des Deutschen Reiches. Die Siegermächte hatten sich schon zuvor darauf geeinigt, die nach 1937 von Deutschlanfd annektierten Gebietsteile den Nachbarländern zurückzugeben und Österreich von Deutschland wieder abzutrennen.  Die deutsche Wirtschaft war in lokale und reginale Teilwirtschaften zerfallen. Die Verkehrswege und die Transportmittel waren zerstört, eine überregionale Staats- und Wirtschaftsverwaltung war nicht mehr vorhanden. Die Reichsmark war formal noch Währungseinheit in allen deutschen Besatzungszonen und in Berlin, doch gab es keine gemeinsame Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftspolitik oder auch nur Leistungsverpflechtungen. Zunächst herrschte extreme wirtschaftliche Not, die durch dfie Entnahmepolitik der Besatzungsmächte gemehrt und nur durch die angelsächsischen Hilfen bei der Nahrungsmittelversorgung und durch das ERP-Programm (Marshall Plan) etwas gemildert wurde. Besonders bedrückend war die Situation im strengen Winter 1946/47 (Hungerwinter).

Überall am Niederrhein rüstete man sich für die ersten freien Wahlen zu den kommunalen Parlamenten. Im Bericht der Gemeinde an den Landrat wird deutlich, daß das politische Leben in Lobberich immer noch sehr mühselig in Gang kommt: "Wenn auch bisher kein großes Interesse festzustellen ist, so kann man doch von einer beachtenswerten Anteilnahme sprechen. In den öffentlichen Auslagestellen sind die Wählerlisten oft eingesehen worden. Die Versammlungstätigkeit der Parteien lebt auf." heißt es in einem Bericht für Juli 1946. Die Alliierte Kontrollkommission stimmte im November 1945 der Umsiedlung, somit der Vertreibung von 6,65 Millionen Deutschen zu. Von ihnen kommen 1,5 Millionen aus den Ostgebieten in die Britische Zone. Zu diesem Menschenstrom kamen dann noch politisch Verfolgte und sonstige Flüchtlinge aus der damaligen SBZ (Sowjetische Besatzungszone). In Lobberich stieg die Einwohnerzahl von 1945 bis 1955 von etwa 7.000 auf 10.000.

                
                 Bürgermeister Clemens Boetzkes
             von den Briten eingesetzt 1946 - 1948

Diese Woge von Menschen hatten Hunderte, zum Teil tausend Kilometer hinter sich. Keine Heimat mehr, Familien in alle Winde zerstreut, keine Habe, buchstäblich nur das nackte Leben gerettet. Ein heute gern verdrängtes Kapitel der Nachkriegsgeschichte spielte sich in Deutschland ab: Die Einheimischen wollten ihre mittellosen Landsleute nicht aufnehmen Gemeindedirektor Dr. Carl Smeets mahnt die Lobbericher. Er schrieb u.a..: "Angesichts des furchtbaren Elends ist es traurig, daß man der hiesigen Bevölkerung nur sehr schwer klarmachen kann, daß sie für die Flüchtlinge bereitwillig Unterkunft zur Verfügung stellen soll. Es ist ein erschreckender sozialer Gegensatz: auf der einen Seite die Ortseingesessenen, die durch den Krieg nur gering gelitten haben und andererseits die heruntergekommenen Menschen, denen jede Habe fehlt".

Aufsehen erregten in diesen Tagen Einbrüche in den Krankenhäusern Lobberich, Hinsbeck und Breyell. In Breyell wurden die Täter rechtzeitig entdeckt und in die Flucht geschlagen. Die Polizei vermutete dahinter das Werk einer organisierten Diebesbande. Die meisten Straftaten gingen eindeutig auf extremen Hunger zurück. Jeden Tag überfluteten hungernde Städter das Land. Die Bauern wurden bestürmt, Lebensmittel herauszurücken, andere frönten erfolgreich dem Schwarzmarkthandel. Die traurige Ernährungslage ließ Hass und Neid überall gedeihen. Alles, was nicht in Lebensmitteln schätzbaren Wert hat, wurde von den hungernden Massen als nichts erachtet.

In der Zeit vom 8. April - 2. Mai 1946 erfolgte bei der Sparkasse Lobberich durch den Verbandsrevisor Kaspari eine Ordnungsprüfung, die die Jahresrechnungen von 1942, 1943, 1944 und 1945 betrafen. Aus dem Prüfungsbericht geht u.a. hervor, daß die Sparkasse im Jahre 1942 das unbebaute Grundstück "Ingenhovenpark" für 6.800 RM verkauft hatte, sich jedoch ein 10jähriges Rückkaufsrecht für einen evtl. Sparkassenneubau hat einräumen lassen. Einziges im Eigentum der Sparkasse befindliche Grundstück war das bebaute Grundstück "Berufsschule".

Dass es ohne eine Währungsreform keinen Wiederaufbau geben würde, zeigte sich in den ersten Nachkriegsjahren immer deutlicher. Die wirtschaftliche Entwicklung vom Zusammenbruch bis zur Währungsreform war überall gekennzeichnet durch einen ständigen Produktionsrückgang in der Wirtschaft und einem immer stärker werdenden Warenmangel. Die wichtigsten Güter des täglichen Bedarfs standen am Ende kaum noch zur Verfügung. Mangel war eine bittere Alltagserfahrung. Viele "beschafften" sich Waren über Kanäle außerhalb der Planwirtschaft, auf dem "Schwarzen Markt".

Der Verfall der deutschen Währung (offizieller Kurs 1 RM = 0,30 Dollar, inoffiziell 1 RM = 0,01 Dollar) machte eine Reform erforderlich, um die deutsche Wirtschaft neu zu beleben und die Produktion zu erhöhen. Die französische Regierung erklärte sich zur Beteiligung an der Reform bereit, während der sowjetische Militärgouverneur eine Aufschiebung verlangt. Da die Westalliierten eine Einigung mit den sowjetischen Stellen nicht für möglich hielten, blieb es bei dem geplanten Termin.

Bilanzzahlen nach dem Krieg bis zur Währungsreform:

 

 

1945

1946

1947

20-6-1948

 

TDM

TDM

TDM

TDM

AKTIVA

 

 

 

 

Barreserve

302

266

328

2.328

Eigene Wertpapiere

3.998

3.998

3.989

2.328

Guthaben bei Kreditinstituten

5.189

6.125

6.165

5.784

Darlehn

498

389

105

58

Hypotheken

304

298

150

149

Gesamt

10.411

11.066

10.908

12.423

PASSIVA

 

 

 

 

Spareinlagen

8.816

9.062

8.775

9.355

Depositen

1.419

1.854

1.850

2.750

Rücklagen

126

126

126

217

Gesamt

10.411

11.066

10.908

12.423


Am Freitag, den 18. Juni 1948, abends im Rundfunk und einen Tag später aus der Zeitung erfuhr die Bevölkerung von der "Währungsreform". Wo sonst die Lebensmittelkarten verteilt wurden, gab es am Sonntag, den 20. Juni 1948 das neue Geld. Zum Eintausch waren 60 Reichsmark pro Kopf mitzubringen. Dafür erhielt man im Umtausch zunächst einmal den legendären "Kopfbetrag" von 40 "Deutsche Mark". Die restlichen 20 neuen Mark sollten, so hieß es, etwas später ausgezahlt werden. Das ist auch im August 1948 geschehen. Die Währungsreform brachte für das Kreditwesen im allgemeinen und die Sparkassenorganisation im besonderen neue Chancen und Probleme, wobei letztere zunächst stark überwogen.

Nach der Währungsreform gab es viele Enttäuschte, vor allem unter den Sparern gab es viele Klagen. Die Umstellung der Sparkontenbestände wurde von Sparern und Sparkassen als ein schweres Unrecht angesehen, weil keine andere Kapitalform gleich schlecht behandelt wurde. Sachwerte, die nicht durh die Kriegs- und Kriegsfolgeschäden vernichtet oder beeinträchtigt worden waren, hatten ihre Wert behalten. Aktien wurden häufig im Verhältnis 1:1 von RM- auf DM-Nennwert umgestellt, die in Schuldverschreibungen, in Lebensversicherungen oder Bausparkonten angelegten Kapitalbeträge wenigestens im Verhältnis 10:1. Hingegen erhielten Kontensparer nur eine Umstellung im Verhältnis 10:0,65.

Zwischen dem 20. und 26. Juni ging es bei allen Kreditinstituten in den " Westzonen" hoch her. Lange Schlangen bildeten sich vor den Schaltern, um die gesamten Vorräte von altem Geld einzuzahlen: Reichsmark, Rentenmark und Alliierte Militärmark. Was bis zum Ende dieser Woche nicht auf einem "Altgeldkonto" eingezahlt war, würde ein für allemal seinen Wert verlieren. Um diese Altgeld-Guthaben gab es aber schon bald herbe Enttäuschung. Sie wurden keineswegs im Verhältnis 1:10 in DM umgetauscht. Die empfangenen Kopfgelder wurden nämlich mit dem neunfachen Betrag auf die Altgeldguthaben angerechnet. Dazu kam noch die spätere Streichung von 3,5 % (100 RM = 6,50 DM). Ein Beispiel soll verdeutlichen, wieviel von einem "guten" Reichsmark-Guthaben letztlich übrig blieb:

 

"Altgeldguthaben" 10.000,- RM
abzüglich Neunfaches der Kopfquote von 60 RM für 3 Personen 1.620,- RM
verbleibt "Umstellungsguthaben" 8.380,- RM
umgestellt im Verhältnis 10:1 838,- DM
freigegeben eine Hälfte 419,- DM
Guthaben auf Sperrkonto (einstweilen nicht verfügbar) 419,- DM
   
Gestrichen im Oktober 1948 (70 %) 293,30 DM
Rest 125,70 DM
Freigegeben  
- ohne Verwendungszwang 2/3 83,80 DM
- für Wertpapiere 1/3 41,90 DM
Gesamter Aufwertungsbetrag:  
DM 419,- + DM 83,80 + DM 41,90 = 544,70 DM


Verständlich, daß in diesen Tagen an Sparen kaum jemand dachte.

Die Summe der in die Umstellungsrechnung eingesetzten Aktiven und Passiven ergab bei der Sparkasse Lobberich einen Überhang in Passiven in Höhe von DM 571.000. In Höhe dieses Betrages hatte die Sparkasse eine Ausgleichsforderung gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Der Bestand der Reichsmarkschlussbilanz betrug 9.354.511,25 RM. Abzüglich der Altgeldguthaben Gruppe III, nicht angemeldete Guthaben, verfallene Pfennigbeträge, angerechnete Kopfbeträge, angerechnete Geschäftsbeträge und in der Schwebe verbleibende Beträge in Höhe von insgesamt RM 2.624.70,25 und einem bevorzugten Umstellungsbetrag von 3.715 RM verblieben ca. 6,7 Mio RM zur Umstellung. Die Umwandlung dieses Betrages erfolgte mit 6,5 % = DM 437.000.

                 
                    Bürgermeister Arnold Kirchhofer
                               (1948 - 1951)

Angesichts eines ständig steigenden Konsumbedarfs der Bevölkerung wurden Ende 1952 Richtlinien für den sogenannten "Kaufkredit" von seiten der Sparkassen beschlossen. Ein Geschäft, dass sicherlich nicht den alten Grundsätzen der Sparkassen (Pflege des Spargedankens) entsprach.

                 
                    Bürgermeister Johannes Hegger
                               (1951 - 1952)

Nach ansteigender Tendenz im Rechnungsjahr 1953 ließ die Geschäftstätigkeit bei dieser Art von Krediten in den Jahren 1954 - 1957 nach. Rechnete die Sparkasse im Jahr 1953 noch 1.205 Kaufkredite mit einem Volumen von 396 TDM ab, ging diese Zahl in 1955 auf 1.011 Stück mit einem Volumen von 381 TDM Kreditsumme zurück. Diese rückläufige Entwicklung wurde positiv aufgenommen: "Die erwähnte rückläufige Entwicklung bei den Kaufkrediten hält an. Eine gute Feststellung, die zeigt, daß unser Ruf "Erst sparen - dann kaufen" bei der Lobbericher Bevölkerung nicht überhört wurde."

                 
                    Bürgermeister Heinrich Pötter
                             (1952 - 1954)

Aber auch andere Ausleihformen kurbelten das "Wirtschaftswunder" an: Die mit öffentlichen Mitteln geförderten Kredite und Darlehn wurden zu einem vielseitigen Instrument im Dienste der Wirtschaftspolitik. Der "soziale Wohnungsbau" wurde durch entsprechende Darlehn angekurbelt. Eine neue und wichtige Aufgabe fiel in diesem Zusammenhang den Sparkassen zu. Sie hatten die "durchlaufenden Kredite" zu verwalten und die Abwicklung solcher Programme im Dienste ihrer Kundschaft zu übernehmen. Die dabei teilweise übernommenen Risiken wurden nicht immer durch staatliche Ausfallbürgschaften gedeckt.

Entwicklung der durchlaufenden Kredite

1953: 107 TDM

1954: 197 TDM

1955: 344 TDM

1956: 441 TDM

Im langfristigen Geschäft wurde die Hypothek zum wichtigsten Instrument der Wohnungsbaufinanzierung. Dementsprechend erhöhten sich die Bestände bei der Sparkasse Lobberich von 362 TDM in 1953 auf 881 TDM Ende 1956. In wirtschaftlicher Hinsicht stand Lobberich Anfang der fünfziger Jahre im Zeichen einer Vollbeschäftigung. Durch den Einsatz von zum Teil erheblichen Mitteln, die die Sparkasse im Wege des Kommunalkredits der Gemeinde zur Verfügung stellte, konnten bedeutende Bauvorhaben, wie die Kanalisation der Breyeller Straße, der Bau einer neuen evangelischen Volksschule, die Instandsetzung der durch Artilleriebeschuß stark beschädigten katholischen Pfarrkirche "St. Sebastian", der Aufbau des Kolpingsaales und die Durchführung des Teilbebauungsplanes "Mirbach-Land" durchgeführt werden. Der Anstieg der Kommunaldarlehn von 77 TDM in 1953 auf 700 TDM in 1956 belegen dies eindrucksvoll.

Von geschichtlicher Bedeutung ist noch, daß die Gemeinde Lobberich seit dem 1.10.1954 nach Beseitigung erheblicher Schwierigkeiten nun endlich einen eigenen Bahnhof hat (bisher lag der Lobbericher Bahnhof auf Hinsbecker Gebiet).

Die gute Entwicklung der Einlagen in den Jahren 1949 - 1956 ist zum Teil auf die staatliche Sparförderung zurückzuführen, die ebenfalls zu den wichtigen Neuerungen der Nachkriegszeit gehörte. Als sich kurz nach der Währungsreform ein erheblicher Rückgang der Spareinlagen abzeichnete, blieb nur ein Ausweg - die Sparförderung. Das Sparen wurde zunächst als Steuervergünstigung eingesetzt und zwar in der Weise, daß die auf Sparkonten eingezahlten Beträge bis zu einer bestimmten Höhe als "Sonderausgaben" steuermindernd wirkten. Die Sparmotivaton für die große Zahl der Klein- und Normalverdiener hielt sich in Grenzen. Die Ergebnisse waren jedoch ansehnlich:

Entwicklung des steuerbegünstigten Sparens

1953: 278,4 TDM

1954: 442,8 TDM

1955: 552,0 TDM

1956: 614,5 TDM

Alles in allem brachten die fünfziger Jahre für die Sparkasse der Gemeinde Lobberich zunächst die Rückkehr "zum normalen Geschäft" und dann - parallel zur allgemeinen wirtschaftlichen Prosperität - eine geradezu stürmische Aufwärtsentwicklung. Bei ausgeglichener Liquidität und guter Rentabilität spiegelte sich im rapiden Wachstum der Sparkasse Lobberich auch das "Wirtschaftswunder" in der Gemeinde Lobberich wider. Das Statistische Bundesamt meldete für das Jahr 1955 einen hohen Anstieg des Sozialprodukts in der Bundesrepublik. Die gesamten Leistungen der Volkswirtschaft waren danach um 12,7 % (1954 nur 8,3 %) gestiegen. Die Räumlichkeiten der Sparkasse ließen einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb auf Dauer nicht mehr zu. So entschied sich der Gemeinderat auf Vorschlag des Sparkassenvorstandes zum Ankauf des "Dammer'schen Saales". Mit der Planung eines Neubaus wurden die Architekten Vogelsang, Düsseldorf und Schmitter, Lobberich beauftragt.

                  
                         Bürgermeister Hein Nicus
                               (1954 - 1969)

Die Fa. Philippen begann im Februar 1957 mit den Abbrucharbeiten des Dammer'schen Saales. Der Firma Tümmers wurden die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten übertragen. Die Firma Ferdinand Pickers erhielt den Auftrag für die Sanitäranlagen, die Firma Fritz Kother den Auftrag für die Elektroarbeiten. Die Firma Johannes Beckers erhielt den Zuschlag für die Zimmererarbeiten, die Firmen H.u.W. Claas bzw. Toni in het Panhuis für die Stuck- und Putzarbeiten. Die Dachdeckerarbeiten wurden an Johannes Schiffer vergeben, die Plattierungsarbeiten erhielt die Firma Willi Döbler.

Der Vorstand der Sparkasse ab Januar 1957 setzt sich aus folgenden Personen zusammen
 

Clemens Boetzkes, Lebensmittelgroßhandel
Dr. Hermann Weber, Zahnarzt
Matthias Jacobs, Angestellter
Matthias Hahn, Weber
Josef Kauerz, Kaufmann
Hermann Bongartz, Kaufmann

Stellvertreter:
Franz Bäumges, Bauer
Heinrich Rex, Betriebsschlosser
Leo Bontenackels, Weber
Theo Optendrenk, Gärtner
Hermann Hasenkox , Angestellter

Am 25. März 1957 wurden in Rom von den Regierungschefs der sechs Mitgliedsstaaten Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg und Bundesrepublik Deutschland die Verträge unterzeichnet, die die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) besiegeln. Am 31. August 1957 verstarb der Bürgermeister a. D. Leo Marx, der vom 1.8.1933 - 31.7.1945 Vorstandsvorsitzender der Sparkasse der Gemeinde Lobberich war.

Am 7.1.1958 trat das neue Sparkassengesetz NRW in Kraft. Die Ausführungsbestimmungen besagten, daß der Rat der Gemeinde auf Vorschlag des Sparkassenrates den Vorstand der Sparkasse bestellen muß. Entsprechend der Regelung bei der Nachbarsparkasse in Süchteln wurde zunächst die Bestellung eines "Einmann-Vorstandes" beschlossen. Bernhard Kuhnert, seit 1941 Sparkassenleiter wird zum Vorstand der Sparkasse Lobberich gewählt. Zum Verhinderungsvertreter bestellt man Hans Tünsmann. Der Sparkassenrat, ein bisher nicht bekanntes Gremium - vergleichbar mit dem früheren Sparkassenvorstand - bestand aus:

Carl Smeets, Gemeindedirektor, Vorsitzender
Clemens Boetzkes, Mitglied
Hermann Bongartz, Mitglied
Matthias Hahn, Mitglied
Josef Kauerz, Mitglied
Matthias Jacobs, Mitglied
Dr. Hermann Weber, Mitglied

Dem ebenfalls erstmals zu wählenden Kreditausschuß gehören neben dem Sparkassenvorstand Bernharad Kuhnert die Sparkassenrats-Mitglieder Clemens Boetzkes und Dr. Hermann Weber an. Im Dezember 1958 schied Dr. Carl Smeets aus und Gemeindeamtmann Hans Meis übernahm bis zum 23.9.1959 seine Aufgaben im Sparkassenrat.

Unter dem amtierenden Vorsitzenden des Sparkassenrates Hans Meis hatte sich der Sparkassenrat am 19. Januar 1959 zu einer Sitzung in der Burg Ingenhoven eingefunden, an der auch der frühere langjährige Vorsitzende des ehemaligen Vorstandes, Dr. Smeets teilnahm. Clemens Boetzkes, das älteste Mitglied des Sparkassenrates schilderte in dieser Sitzung ausführlich die Verdienste, die sich Dr. Smeets in seiner Eigenschaft als Gemeindedirektor im Vorstand und Rat der Sparkasse erworben hatte. Dr. Smeets erhielt für seine Verdienste eine Holzplastik aus der Barockzeit überreicht. In dieser Sitzung wurde der Termin für die Einweihung des neuen Sparkassengebäudes auf Dienstag, den 27. Januar 1959 festgesetzt.

Der 27. Januar 1959 war wohl ein wichtiger Meilenstein nicht nur in der Geschichte der Sparkasse Lobberich, sondern auch für die Gemeinde selbst. An diesem strahlend schönen Wintermorgen wurde das neue Sparkassengebäude in einem kurzen feierlichen Akt seiner Bestimmung übergeben. Dr. A. Fenkes schrieb seinerzeit: Vor dem sehr repräsentativ wirkenden Gebäude auf dem Bongartzplatz (heute: von-Bocholtz-Straße) wehten an drei Masten die Fahnen, als sich um 11 Uhr die vom Sparkassenrat geladenen Gäste vor dem Portal der Kasse eingefunden hatten. Dort übergab Architekt Philipp Vogelsang, Düsseldorf dem stellvertretenden Sparkassenratsvorsitzenden Amtmann Hans Meis den mit einem kleinen Blumenangebinde versehenen Schlüssel. Amtmann Meis gab ihn an den Sparkassendirektor Bernhard Kuhnert weiter mit dem Wunsch, daß diese symbolische Handlung eine neue Aera des Vertrauens zur Sparkasse und des Aufstiegs einleiten möge zum Wohle unserer Heimatgemeinde und der gesamten Bevölkerung. Kuhnert öffnete sodann den Zugang zum neuen Hause. Auf dem Rundgang erklärte der Architekt die Bedeutung der Einrichtung. In der sich anschließenden Feier im Hotel Dammer (heute: Hotel Stadt Lobberich) begrüßte Meis den Vertreter der Landesregierung, Dr. Von Hochstetter, den Geschäftsführer des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, Schwandt, Direktor Hoesch von der Rheinischen Girozentrale Düsseldorf, Direktor Piel von der Landesbausparkasse, die Direktoren der benachbarten Sparkassen Willich, Kaldenkirchen und Süchteln, die Herren Gornick, Münter und Theelen und den Leiter der hiesigen Spar- und Darlehnskasse Götte. Zu den weiteren Ehrengästen gehörten Bürgermeister Hein Nicus, die Leiter der hiesigen Schulen. Neben den Räumlichkeiten, die von der Sparkasse selbst genutzt wurden, wurde das Ladenlokal an die Eheleute Hans Thoneick (Damen-Oberbekleidung), Im Obergeschoß Praxisräume an Dr. Walter Bömer und Dr. Steeger vermietet. Im Erdgeschoß fand der Polizeiposten Lobberich eine neue Unterkunft. Die Gesamtkosten incl. Der Grundstücks- und Abbruchkosten beliefen sich auf 720.000 DM.

Wie schon erwähnt übernahm Gemeindedirektor Hans-Willi Güßgen am 23.9.1959 den Vorsitz im Sparkassenrat.

Die Wende der fünfziger zu den sechziger Jahren brachte eine deutliche Veränderung der Wettbewerbssituation im bundesdeutschen Kreditgewerbe. 1958 hatte das Bundesverwaltungsgericht in seinem oft zitierten "Apothekenurteil" entschieden, dass eine Bedürfnisprüfung grundgesetzwidrig sei. Bis zu diesem Zeitpunkt musste nämlich eine Zweigstellenerrichtung durch die Bankenaufsichtsbehörden genehmigt werden. Ab 1959 wandten sich die Großbanken und in ihrem Gefolge weitere Kreditbanken bewusst dem bis dahin "vernachlässigten Mengengeschäft" zu. Auch in Lobberich änderte sich die Bankenlandschaft im Jahre 1959: Die beiden Großbanken Deutsche Bank und Commerzbank eröffneten Filialen.

Noch ein Ereignis war für die Sparkasse Lobberich von großer Bedeutung: Die Einführung der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung, die es bis dahin fast nur für Beamte gegeben hatte. Die in großer Zahl neueröffneten Privatgirokonten erwiesen sich bald als ökonomische Basis für die Erweiterung des Zweigstellennetzes und als Dreh- und Angelpunkt für ene umfassende bankwirtschaftliche Versorung der privaten Haushalte, so gingen Mitarbeiter der Sparkasse in die Lohnbüros der ansässigen Großfirmen wie ROKAL GmbH und NIEDIECK, um dort vor Ort Konten zu eröffnen.

Bei vielen Mitarbeitern wurde die bargeldlose Lohnzahlung kritisch gesehen: musste "Mann" sich doch von der Lohntüte trennen und plötzliche wusste die angetraute Ehefrau, wieviel Geld "eigentlich" hereinkam. In Einzelfällen führte dies dazu, dass Mitarbeiter Konten bei verschiedenen Kreditinstituten eröffneten und so das Geld "splitteten".
 

Entwicklung der Sparkasse von 1958 - 1962 in Zahlen:

 

 

1958

1959

1960

1961

1962

AKTIVA

 

 

 

 

 

 

Liquide Mittel

 

700

589

1.221

896

1.009

Kreditinstitute

 

1.139

889

582

1.907

1.038

Wertpapiere

 

348

877

962

984

1.569

Debitoren

 

1.509

1.847

2.185

2.257

2.569

langfr. Darlehn

 

1.828

2.339

3.199

3.785

4.777

Kommunaldarlehn

840

913

965

921

883

 

Bilanzsumme

 

8.250

9.486

10.988

12.698

13.876

 

 

 

 

 

 

 

PASSIVA

 

 

 

 

 

 

Spareinlagen

 

5.226

6.448

7.549

8.471

9.508

Befr. Einlagen

 

60

67

34

509

530

Sichteinlagen

 

1.695

1.696

2.212

2.353

2.317

Sich.-Rücklage

 

235

271

325

390

444

Aufgen. Darl.

 

245

226

34

-

-

Durchlfd. Gelder

 

483

488

495

547

611

Bilanzsumme

 

8.250

9.486

10.988

12.698

13.876

 

Die Hochkonjunktur der deutschen Wirtschaft Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre sorgen für eine Vollbeschäftigung. Nach einer Statistik im April 1960 fehlten der bundesdeutschen Wirtschaft 410.000 Arbeitskräfte. Die Bundesregierung kündigte an, daß man sich verstärkt um ausländische Arbeitskräfte bemühen wolle. Das Konjunkturhoch ging erst mit der Kubakrise im Jahre 1962 zu Ende. Dennoch war die Investitionsbereitschaft der Verbrauchsgüter-Industrie, der Bauwirtschaft und der öffentlichen Hand unverändert hoch.

Die Vollbeschäftigung und gute Verdienstmöglichkeiten führten zwangsläufig zu einer breiten Anhebung des Einkommensniveaus der Bevölkerung. Der wachsende Wohlstand schlug sich zwar zum großen Teil in einem erhöhten Verbrauch nieder, jedoch brachte die Sparfreudigkeit der Sparkasse beachtliche Zuflüsse. Am 6. Februar 1962 beschloss der Rat der Gemeinde Lobberich auf Vorschlag des Sparkassenrates entsprechend des in den letzten Jahren stark gestiegenen Geschäftsumfanges der Sparkasse, die Bestellung eines Zweimann-Vorstandes. Johannes Zanders, seit 1945 Angestellter, wurde am 20.6.1962 als zweites Vorstandsmitglied in sein Amt eingeführt. Damit wurde ein Mann in den Vorstand der Sparkasse gewählt, der lange Jahre die Geschicke dieses Institutes verantwortlich mit gestalten sollte. Übrigens begann der Chronist am 5. April 1962 bei dieser Sparkasse seine Ausbildung und berufliche Laufbahn.

Zur Vereinfachung des Sparverkehrs wurde im Jahre 1962 erstmals eine "Schalterquittungsmaschine mit Sparbucheindruck" (NATIONAL) angeschafft, die das für die Mitarbeiter äußerst aufwendige manuelle Zu- und Abschreiben von Spareinlagenumsätzen erheblich vereinfacht.

Das bedeutendste Ereignis auf kommunalpolitischem Gebiet im Jahre 1964 war die Verleihung der Stadtrechte an die Gemeinde Lobberich. In der Sitzung des Kabinetts des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7.7.1964 war der Gemeinde Lobberich in Anerkennung ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Bedeu-tung das Recht verliehen worden, sich zukünftig "Stadt" zu nennen. Einem Ratsbeschluss entsprechend firmiert die Sparkasse seit diesem Termin mit

                        STADTSPARKASSE LOBBERICH

Die Kommunalwahl 1964 hatte auch eine Neuwahl des Sparkassenrates zur Folge. In seiner Sitzung vom 12.10.1964 hat der Rat der Stadt Lobberich folgende Personen in den Sparkassenrat gewählt:

Vorsitzender:
Hans-Wili Güßgen, Stadtdirektor
Stellvertreter:
Hans Meis, Stadtoberamtmann

Mitglieder:
Hein Nicus, Kaufmann
Theo Optendrenk, Kaufmann
Hans van Ditzhuysen, Lehrer
Josef Frank, Journalist
Matthias Hahn, Rentner

Vertreter:
Karl Reulen, Realschullehrer
Ernst Otthoff, Fabrikant
Hermann-Josef Müller, Zahntechniker
Josef Bouverie, Samtweber
Fritz Einmal, Rentner

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlangsamtes Wirtschaftswachstum, beschleunigter Preisaufstieg und ein Defizit in der Zahlungsbilanz kennzeichneten im wesentlichen die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik im Jahre 1965. Das am 1.4.1965 in Kraft getretene 1. Vermögensbildungsgesetz ermöglichte den Arbeitnehmern von ihrem Arbeitslohn jährlich 312 DM vermögenswirksam anzulegen. Mit diesem Gesetz bekam das "Prämienbegünstigte Vertragssparen", das vom Staat unter bestimmten Voraussetzungen mit einer Prämie bis zu 30 % "belohnt" wurde, weiteren Aufschwung. Der immer stärker eingesetzte bargeldlose Gehalts- und Lohnzahlungsverkehr trug erheblich zur Ausdehnung des Giroverkehrs bei. Bei der Stadtsparkasse Lobberich wurden allein im Jahre 1965 117 Millionen DM im Spargiroverkehr umgesetzt. Von 2.080 Girokonten waren allein 1.274 Lohn- und Gehaltskonten.

Zur beschleunigten Abwicklung des Spargiroverkehrs wurden im Jahre 1966 der Eil- und Blitzgiroverkehr eingeführt und auch der Lastschriftverkehr erfreute sich immer größerer Beliebtheit. Die sich in verstärktem Maße fortsetzende Geschäftsausweitung gab der Sparkasse Veranlassung, weitere Geschäftsräume zu schaffen. Durch den Umbau von bisher für Wohnzwecke vermietete Räume in der ersten Etage (das Zimmer des Vorstandsvorsitzenden bis zum Büro des Kreditabteilungsleiters) konnte die Kreditabteilung ausgeweitet werden.

Die konjunkturelle Abschwächung des Jahres 1967 war Anlaß für verschiedene Sonderkreditaktionen. Darlehn für bestimmte Zwecke wie "Junge Familie" oder "Besser und schöner wohnen", die vom Staat bezuschusst wurden, trugen sicherlich zu einer gewissen Belebung bei. Am 31.3.1967 beendete der bis dahin Vorsitzende des Vorstandes, Sparkassendirektor Bernhard Kuhnert, seine Tätigkeit bei der Sparkasse. In einer Abschiedsfeier würdigte der Vorsitzende des Verwaltungsrates sein rd. 25jähriges erfolgreiches Wirken für das Institut. Kuhnert, der am 1.4.1921 bei der Kreissparkasse Iburg (Teutoburger Wald) seine Lehre absolvierte, arbeitete bei der Girozentrale in Osnabrück, beim niedersächsischen Sparkassenverband in Hannover, von 1929 - 1937 bei der Kreissparkasse Aschendorf-Hümling (Emsland) und von 1937 - 1941 bei der Städtischen Sparkasse in Meyen. Nebenamtlich ist Kuhnert Kirchenkassenrendant der kath. Kirchengemeinde Lobberich. Als Nachfolger wählte der Rat der Stadt das bisherige Vorstandsmitglied, Johannes Zanders, zum Vorsitzenden und Karl Eicken aus Korschenbroich zum Vorstandsmitglied.

Die Rezession des Jahres 1967, die erstmals seit der Währungsreform keinen Zuwachs des realen Bruttosozialproduktes brachte, wurde durch die von der Regierung im Spätsommer 1967 beschlossenen konjunkturpolitischen Maßnahmen und die hierdurch verursachte Entfaltung wirtschaftseigener Kräfte verhältnismäßig schnell überwunden. Zwar wirkten noch Dispositionen der Wirtschaft im Zusammenhang mit der Anfang 1968 eingeführten Mehrwertsteuer auf die ersten Monate des Jahres 1968 ein, doch expandierte hiernach die Nachfrage auf breiter Front. Produktion und Beschäftigung stiegen kräftig an. Die öffentlichen Sparkassen konnten Ende des Jahres auf ein bedeutungsvolles Ereignis zurückblicken: Die bei ihnen unterhaltenen Spareinlagen überschritten die 100-Milliarden-Grenze. Damit hatten Deutschlands Sparer den Sparkassen rd. 60 % aller Spareinlagen in der Bundesrepublik anvertraut.

Auch bei der Sparkasse Lobberich machte sich im Jahre 1968 ein immer schärfer werdender Wettbewerb unter den Kreditinstituten bemerkbar. Neben einer Intensivierung der Werbung wurde das Leistungsangebot in allen Geschäftsbereichen erweitert. Die Einführung des Dispositionskredits für Privatgirokunden, die Ausgabe von Sparkassenbriefen und die Einführung von Scheckkarten seien hier nur beispielhaft genannt. Der in die Angebotspalette aufgenommene Sparkassenbrief, eine auch heute noch - in Abarten - sehr beliebte und sichere Geldanlageform, wurde gerne gekauft. Im ersten Absatzjahr wurden 739.000 DM angelegt. Im Vordergrund der organisatorischen Maßnahmen stand im Mai 1968 die Umstellung der Geschäftsgiro-, Gehaltsgiro- und Hauptbuchkonten auf eine elektronische Datenverarbeitungsanlage der Buchungsgemeinschaft rheinischer Sparkassen, die eine erhebliche Beschleunigung des Arbeitsablaufes und eine spürbare Entspannung der Personalsituation mit sich brachte. Für die Sparkasse Lobberich bedeutete dies, dass bei der Sparkasse in Viersen "gebucht" wurde und die Kontoauszüge dort abgeholt werden mussten.

Nachdem die Verhandlungen mit den Eigentümern des Grundstücks Bahnstraße 45 (Gebr. Bongartz) über die Anmietung von Räumen abgeschlossen waren, wurde mit den Umbauarbeiten für die Eröffnung der ersten Zweigstelle begonnen, die schließlich am 17.12.1969 eröffnet werden konnte.

Im übrigen kam Mitte 1969 der erste Vorschlag zur Neugliederung des Sparkassenwesens im Kreise Kempen-Krefeld vom Rheinischen Sparkassen- und Giroverband Düsseldorf. Dieser Vorschlag sah vor, einen Sparkassenzweckverband zu bilden aus dem Kreis Kempen-Krefeld, den Städten Kaldenkirchen und Lobberich und den Gemeinden Hüls, Schiefbahn und St. Tönis. Dieser Zweckverband sollte der "Gewährträger" - also Eigentümer - einer Sparkasse sein, in der die Sparkassen des Kreises, der Städte und Gemeinden aufgehen sollten. Kreis und Kreissparkasse erklärten sich zu Verhandlungen bereit. Sie ließen seinerzeit erkennen, dass sie den Städten und Gemeinden eine überproportionale Vertretung in den Organen zugestehen und "Filialdirektoren" im Bereich der damals selbständigen Sparkassen einsetzen wollten mit größeren Vollmachten als sie damals amtierenden Sparkassenvorständen zustanden. Zu entsprechenden Verhandlungen über die Vorschlag des Sparkassen- und Giroverbandes kam es jedoch nicht, da alle Städte und Gemeinden Verhandlungen ablehnten.