Manfred Albersmann

Die Sparkasse von 1920 - 1939

Der Versailler Vertrag, der den 1. Weltkrieg beendete, wurde am 28.6.1919 in Versailles unterzeichnet und trat am 10.1.1920 in Kraft. Er brachte außer umfangreichen Gebietsabtrennungen - im Westen des Deutschen Reiches kamen Elsaß-Lothringen an Frankreich sowie Morsnet und Eupen-Malmedy an Belgien, das Saargebiet wurde wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen - auch die alliierte Besatzung des übrigen linksrheinischen Gebietes (durch Franzosen und Belgier) mit Ausnahme der Brückenköpfe Mainz, Koblenz und Köln. Im Gebiet des heutigen Nettetal war die belgische Besatzungsbehörde die oberste Instanz.

Viel einschneidender wirkten sich jedoch die wirtschaftlichen Bestimmungen des Vertrages aus. Die Internationalisierung von Oder, Elbe, Donau und Rhein und die hohen Reparationszahlungen, die z.B. die Abtretung der deutschen Handelsflotte und die Enteignung des deutschen Privateigentums im Ausland, belasteten die junge Weimarer Republik schwer. Die Unmöglichkeit, die Reparationsforderungen in vollem Umfange zu erfüllen, war die Ursache der Geldentwertung des Jahrs 1921 und die 1922 einsetzende Inflation. So war beispielsweise der Preis für ein Schwarzbrot von vier Pfund Mitte Februar 1922 auf 12,80 Mark gestiegen.

Am 11.10.1920 beschloß der Vorstand des Rheinisch-Westfälischen Sparkassenverbandes, dass eine starke Vertretung der Sparkassen im Verwaltungsrat der Landesbank notwendig sei. Es wurde die Bildung einer besonderen Abteilung "Girozentrale" in der Landesbank begrüßt. Die Sparkassen und Kommunen beteiligten sich an der Landesbank der Rheinprovinz. Hier wurde der Grundstein für die Zusammenarbeit zwischen Sparkassen, Sparkassenverbänden und Landesbanken gelegt.

Von besonderer Bedeutung für die Ausgestaltung der Sparkassengeschäfte waren die Ministerialerlasse der Jahre 1920 und 1921. Nachdem eine Verordnung vom 24.10.1919 über die Einführung des Depotzwanges die Sparkassen als Hinterlegungsstellen zugelassen hatte, wurde durch den Erlass vom 9.10.1920 die Erlaubnis zum An- und Verkauf mündelsicherer Wertpapiere für Rechnung der Kundschaft erteilt. Der Erlass vom 15.4.1921 über die "Erweiterung des Geschäftsberichtes der Sparkassen und die Errichtung von Kommunalbanken" ermöglichte den Sparkassen das Effekten-Kommissionsgeschäft in vollem Umfange, zumal durch den Erlass auch die restlichen Beschränkungen für den Scheck-, Depositen- und Kontokorrentverkehr entfielen.

Anfang des Jahres 1921 hält in Lobberich der Stummfilm seinen Einzug. Die Zeitschrift "Rhein und Maas" spricht von einem "sensationellen Ereignis", das sich die Leser nicht entgehen lassen dürften. Gespielt wird "Der letzte Mohikaner". Die Rationierung von Lebensmitteln war mittlerweile weitestgehend aufgehoben. Langsam kehrte man zur "Normalität" zurück. Der Haushalt der Gemeinde Lobberich war in dieser Zeit "chronisch notleidend". Die Ratsmitglieder beschäftigten sich in fast jeder Ratssitzung mit der Frage, wie das Nötigste bezahlt werden könne. Die Erhöhung örtlicher Steuern wurde häufig diskutiert, so wurde im März 1921 eine Hundesteuer eingeführt.

Zu einem Eklat kam es im April 1921 in Lobberich. Bürgermeister Eger wurde am 22. d. M. vom Dienst suspendiert.

                         
                                   Bürgermeister Josef Eger
                                        (1917 - 1933)

Ihm wurde vorgeworfen, gemeinsam mit dem Leiter des Lebensmittelamtes eine Urkundenfälschung begangen zu haben. Amtsgerichtsrat Baumann führte die Ratssitzungen, Bürovorsteher Brocher leitete kommissarisch bis zur Rückkehr Egers im Jahre 1925 die Verwaltung. Das Jahr 1921 ist auch Auftakt für lebhafte Diskussionen über große Verkehrsprojekte in Lobberich und Umgebung. Im Gemeinderat wurde über die Verbesserung der Verbindungen zu den Nachbarorten nachgedacht. Die SPD favorisierte eine Schienenverbindung nach Breyell und Süchteln, während die Verwaltung einen Omnibusverkehr vorzog, da dieser "weniger teuer" sei. Schließlich war dem Rat die Verbesserung des Fahrplanes auf der Bahnstrecke Kaldenkirchen-Kempen wichtiger. Allein 250 Arbeiter aus Lobberich benutzten diese Zugverbindung jeden Morgen. Die "Rhein und Maas" berichtet von Plänen der belgischen Regierung, einen Schelde-Rhein-Kanal zu bauen. Dieser sollte von Antwerpen über Mönchengladbach zum Rhein führen.

Zwischenzeitlich hatte der Staat den Kleingeldmangel durch Ausgabe großer Mengen Münzen zu 5, 10 und 50 Pfennig behoben, aber erst durch das Reichsgesetz vom 17.7.1922 wurde die Ausgabe von Notgeld verboten und damit das Unwesen immer neuer "Gutscheine für Sammler" wie es auf den Scheinen der Gemeinde Hüls steht - beendet. Doch die Entwertung der Papiermark schritt unaufhaltsam fort, und die Reichsbank war bald nicht mehr in der Lage, eine ausreichende Versorgung mit Banknoten zu gewährleisten. Die Ausgabe neuen Notgeldes mußte knapp zwei Monate später wieder gestattet werden. Auch die Handelskammer M.-Gladbach wurde wieder aktiv. Mitte September 1922 plante sie Gutscheine zu 500 Mark in einer Gesamthöhe von 300 Millionen Mark kurzfristiger Laufzeit auszugeben und ersuchte in einem Rundschreiben an die Bürgermeister der Gemeinden des Kammerbezirkes um Beteiligung an der geplanten Notgeldausgabe. Die Antworten der hiesigen Gemeinden war allerdings negativ: Der Gemeinderat von Lobberich beschloss am 6.10.192, sich nicht zu beteiligen. Kaldenkirchen beteiligte sich ebenfalls nicht; die Stadtverordnetenversammlung hatte am 26.9.1922 beschlossen, eigenes Notgeld herauszugeben. Die Antwort von Breyell ist zwar nicht bekannt, dürfte jedoch ebenfalls negativ ausgefallen sein. Die Inflation schritt unaufhaltsam fort: Das Schwarzbrot zu dreieinhalb Pfund kostete im September noch 32,50 Mark, Ende November schon 110 Mark und Mitte Dezember bereits 245 Mark. Als in weiteres Beispiel für die "galoppierende Inflation" sei hier die Kursentwicklung des Dollars aufgezeigt:

 

 

Preis in Mark

Januar 1922

188,25

Februar 1922

204,25

4. März 1922

251,75

24. März 1922

329,00

Juni 1922

348,50

Juli 1922

502,30

August 1922

1.990,00

Dezember 1922

7.260,00

Januar 1923

7.500,00

Februar 1923

41.500,00

Mai 1923

57.000,00

Juli 1923

600.000,00

September 1923

50.000.000,00

Oktober 1923

40.000.000.000,00

November 1923 420.000.000.000,00

 

Am 18.10.1922 vereinigten sich in Kempen die Kreis- und die Stadtsparkasse zur "Kreis- und Stadtsparkasse Kempen". Wesentlich beeinflusst wurde dieser Schritt von der Inflation und ihren Begleitumständen. Der Kreis Kempen versuchte sich seit dem Frühjahr 1922 an der Gründung einer Kreisbank. Das neue Institut machte den Kreis Kempen zum alleinigen Gewährträger der Sparkasse, gab der Stadt Kempen jedoch Sonderrechte und einen festen Gewinnanteil weiter. Ein "Zweckverband" wäre zwar damals aufgrund des Erlasses vom 24.1.1900 als Garantieverband für Sparkassen zugelassen, jedoch verzichtete man auf diese Rechtskonstruktion.

Am 11. Januar 1923 begann die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen wegen angeblich vorsätzlich versäumter deutscher Raparationslieferungen. Die Folge war eine Verschär-fung der wirtschaftlichen und politischen Lage, zumal die deutsche Regierung den passiven Widerstand verkündete. Der Widerstand, an dem die Beschäftigen der Reichsbahn einen großen Anteil hatten, führte zu harten Gegenmaßnahmen, die besonders das besetzte Rheinland zu spüren bekam. Wem die Beteiligung am passiven Widerstand nachgewiesen wurde, erhielt hohe Geld- und Freiheitsstrafen, unliebsame Personen wurden aus teilweise fadenscheinigen Gründen samt ihrer Familien ins unbesetzte Reichsgebiet ausgewiesen. Der Breyeller Bürgermeister Müllers erhielt die Ausweisung, weil er dafür verantwortlich gemacht wurde, daß mit der für einen Tag zum 25jährigen Jubiläum des katholischen Gesellenvereines genehmigte Beflaggung schon am Vortag begonnen wurde und einige Girlanden und Flaggen noch am folgenden Tag hängengeblieben waren.

Die Inflation wurde durch die Besetzung des Ruhrgebietes beschleunigt: Das Schwarzbrot von dreieinhalb Pfund kostete Anfang Februar 1923 515 Mark, im März 720 Mark, Anfang Juni 1.950 Mark und Anfang Juli bereits 3.000 Mark. Die Bemühungen der Reichsbank, genügend Zahlungsmittel heraus-zugeben, hatten nicht den gewünschten Erfolg. Inbesondere nicht im besetzten Rheinland, wo die Besatzungsmacht immer häufiger Papiergeld beschlagnahmte, vor allem das Notgeld der Reichsbahn, das Ende August sogar verboten und anschließend vernichtet wurde. All dies machte regionale Notgeldausgaben erforderlich. Bereits am 1.2.1923 gab die Landesbank der Rheinprovinz Scheine zu 5.000 und 10.000 Mark aus; die Handelskammer M.-Gladbach folgte im März mit Gutscheinen zu 20.000 Mark.

Der wirtschaftliche Zusammenbruch des Deutschen Reiches infolge der finanziellen Belastungen durch die Besetzung des Ruhrgebietes kündigte sich an. Die Reichsbank, zu einer ausreichenden Versorgung mit Banknoten weiterhin nicht in der Lage, drängte auch Städte und Gemeinden auf vermehrte Ausgabe von Notgeld. So begannen Anfang August auch Breyell, Kaldenkirchen und Lobberich mit der Ausgabe eigenen Notgelds. Die Lobbericher Firmen J.L de Ball und Niedieck waren noch schneller; sie bezahlten ihre Beschäftigten bereits in der letzten Juliwoche mit eigenen Schecks (de Ball) bzw. Gutscheinen (Niedieck) in Nennwerten bis zu 100.000 Mark.

Glaubte man Anfang August 1923 noch daran, daß die Geldknappheit von vorübergehender Natur sei, so mußte man dies bald als Irrglaube erkennen. In Kaldenkirchen jedoch glaubte man der Erklärung der Reichsbank, daß man zur Befriedigung des zukünftigen Zahlungsmittelbedarfs wieder in der Lage sei: Bürgermeister Dr. Pauw machte am 13.9.1923 die Aufkündigung der Gutscheine bekannt. Diese mußten bis zum 25. September bei der Städtischen Gemeindekasse oder bei der Stadtsparkasse Kaldenkirchen eingetauscht werden. Nicht eingetauschte Geldscheine verfielen mit diesem Tag. Der auf den Scheinen aufgedruckte Gültigkeitstermin wurde demnach sowohl verlängert als auch vorgezogen. Schließlich gab die Städtische Sparkasse am 21.9.1923 bekannt, ab 1. Oktober 1923 nur noch das Notgeld der Handelskammer M.-Gladbach, dr Landesbank sowie des Kreises Kempen annehmen zu wollen. Diese Ankündigungen scheinen zumindest in Kaldenkirchen gewirkt zu haben, denn es steht fest, daß Gutscheine für insgesamt ca. 7,5 Milliarden Mark entwertet wurden. Die Städtische Sparkasse schickte nämlich am 9. Oktober 1923 entwertetes Notgeld im Nennwert von 6.270.200.000 Mark und am 15. November 1923 nochmals 1.203 Milliarden Mark an den Bürgermeister. Wieviele Scheine bei der Stadtkasse eingelöst wurden, ist nicht bekannt. Immer neues Notgeld mußte ausgegeben werden. Bald regierten die "Nullen" das Geschehen. Der Verfall der Papiermark wird am Preisanstieg ersichtlich: Für ein Schwarzbrot von dreieinhalb Pfund stieg der Preis in Lobberich am 21.7.1923 auf 8.300 Mark, am 4. August auf 13.800 Mark, am 7. September auf 480.000 Mark und am 28. September auf 17 Millionen Mark.

Die Gemeinden Hinsbeck und Leuth haben kein eigenes Notgeld ausgegeben. Sie gehörten im Jahre 1923 noch zum Kreis Geldern, der für die lokalen Notgeldausgaben zuständig war. Wegen der Nähe zu Lobberich, Breyell und Kaldenkirchen dürfte auch Notgeld aus diesen Gemeinden in großer Menge in Hinsbeck und Leuth umgelaufen sein. Außer den in Breyell, Kaldenkirchen und Lobberich ausgegebnen Notgeldsorten war auf dem Gebiet des heutigen Nettetal Notgeld folgender Körperschaften aus der näheren Umgebung gültig: Kreise Kempen und Geldern, Kreis-Kommunalkasse Kempen, Gemeinschaftsausgabe der Landkreise Krefeld/Gladbach/Grevenbroich/Kempen/Neuß, Handelskammer M.-Gladbach. Gültig waren ferner die Ausgaben der Rheinprovinz (Provinzialverband, Landesbank, Land-wirtschaftskammer) sowie das gemäß den Bestimmungen der Hohen Interalliierten Rheinlandkommission mit dem Gültigkeitsvermerk für den altbesetzten Teil des Regierungsbezirks Düsseldorf versehene Notgeld.

In einem Artikel des in Kempen erscheinenden "Niederrheinischen Tageblatts" vom 17.9.1923 konnte man u.a. lesen: "Ein heilloses Durcheinander brachte für die gesamte Verbraucherschaft die Weigerung einiger hiesiger Banken, die das im Umlauf befindliche Notgeld der Industriefirmen des Niederrheins verweigerten. Es liegt gar kein Grund vor, dieses Geld zu verweigern und es gar als verfallen zu erklären."

Zur Erläuterung: Während die Firmen für ihr Notgeld die erforderlichen Sicherheiten hinterlegt hatten (die Firma J.L. de Ball z.B. bei der Sparkasse der Gemeinde Lobberich), der ausgegebene Betrag also voll gedeckt war, hatte die Reichsbank schon im August für die von ihr in Umlauf gebrachten Banknoten keine Deckung mehr zu Verfügung. Auch hinsichtlich der Deckung des von den Gemeinden ausgegebenen Notgeld dürften Zweifel angebracht sein.

In diesem September 1923 übernahm die "galoppierende Inflation" endgültig die Regie. Behörden und Firmen konnten nur noch reagieren. Erinnern wir uns: Der Preis für ein Schwarzbrot von dreieinhalb Pfund war in drei Wochen von 480.000 Mark auf 17 Millionen Mark gestiegen. Die Zeit der Milli-ardenscheine war gekommen, die der Billionenscheine begann Mitte Oktober 1923. Bald spielten die Kinder mit den nicht eingelösten Hunderttausend- und Millionenscheinen. Es lohnte den Aufwand nicht mehr, die neuen Notgeldausgaben in den Zeitungen bekanntzugeben angesichts der täglichen Preissteigerungen: Das Schwarzbrot zu dreieinhalb Pfund kostete in Lobberich ab 4. Oktober 1923 26 Millionen Mark, ab 19. Oktober 250 Millionen Mark und ab 23. November 1923 gar 660 Milliarden Mark.

Aufgrund des am 16.10.1923 angenommenen Ermächtigungsgesetzes wird die Errichtung der Rentenbank verordnet. Sie soll im November die Rentenmark als Zwischenwährung ausgeben, bis sich die Mark stabilisiert hat. Weil die Rentenmark nicht durch Gold gedeckt ist, werden Hypotheken auf Grundbesitz, Industrie, Handel und Banken an das Reich in Höhe von 32 Milliarden Goldmark zur Sicherung herangezogen. Die Rentenbank darf nur 24 Milliarden Rentenmark in Noten ausgeben (die Hälfte als Darlehn an die Reichsregierung, die andere Hälfte als Kredit an die Wirtschaft). Damit soll der Rentenmark das Schicksal der Papiermark erspart bleiben. Die Papiermark bleibt vorläufig noch gesetzliches Zahlungsmittel. Weil der Drang nach wertbeständigen Zahlungsmitteln größer wird, teilt die Regierung am 23.10.1923 mit, daß Industriebetriebe mit entsprechenden Sicherheiten auf Antrag die Genehmigung zur Herausgabe wertbeständiger Notgeldscheine bekommen.

Die letzten Tage vor Inkrafttreten der Währungsreform spiegelten noch einmal den Taumel der Geldentwertung wider. Die Preise wechselten nahezu stündlich, Briefmarken wurden ohne Aufdruck hergestellt, und die Beamten schrieben den gerade gültigen Stand per Hand ein. Am 1. November 1923 kostete ein Pfund Brot 260 Milliarden, das Pfund Zucker 250 Milliarden, das Pfund Fleisch 3,2 Billionen Mark. Der Tageslohn eines gelernten Arbeiters in Berlin betrug 3 Billionen Mark.

Am 15.11. d. J. wurde dem Spuk das amtliche Ende verordnet. Die Rentenmark wurde ausgegeben. Am 20. 11. wurde der Dollarkurs mit 4,2 Billionen Papiermark zwangsweise fixiert. Auf dem Schwarzmarkt stiegt er allerdings bis zur letzten Novemberwoche noch weiter bis auf 12 Billionen Papiermark. Als Umtauschverhältnis für die Rentenmark gilt: Eine Billion (1.000.000.000.000) Papiermark entspricht einer Rentenmark ("Bimark"). Ab diesem Zeitpunkt galten drei verschiedene Währungen: Papiermark, Renten-mark und, theoretisch, die alte Goldmark.

Als Folge der Wirtschaftskrise mußten viele Sparkassen ihre "eigenen Pforten" schließen. Die "Kreis- und Stadtsparkasse Kempen" wurde in den Jahren 1922 - 1926 "Aufnahmeinstitut" für viele selbständige Sparkassen im Kreisgebiet. Mitten in der Inflation - im Herbst 1922 - mußte die Gemeinde Amern einsehen, dass ihre Sparkasse praktisch handlungsunfähig geworden war. Sie wandte sich um Hilfe an den Kreis Kempen und gab damit den Anstoß zu einer Übernahme, die zum 1.1.1923 realisiert wurde. Auch die Gemeindesparkasse Breyell suchte in Kempen Zuflucht. "Leichtsinnige Kreditgewährung" unmittelbar nach der Inflation brachten der Sparkasse Breyell hohe Verluste. Die Übernahme durch die Kreis- und Stadtsparkasse Kempen erfolgte im Jahre 1925.

Auch die Sparkasse Lobberich war - so geht es aus dem Geschäftsbericht des Jahres 1925 hervor - stark in Mitleidenschaft gezogen. Sie war in den Jahren 1923 und 1924 illiquide geworden. Der Rheinisch-Westfälische Sparkassenverband hatte davor gewarnt, weitere Kredite zu gewähren und als einzigen Ausweg aus der Misere die Rückforderung gewährter Kredite vorgeschlagen. Anfang Mai 1925 war die Illiquidität soweit fortgeschritten, daß nicht einmal mehr die einlaufenden Schecks eingelöst werden konnten. Hier konnte nur noch eine seitens der Gemeinde aufzunehmenden Anleihe abhelfen. Nach mehreren Verhandlungen mit der Landesbank der Rheinprovinz Düsseldorf und der Aufstellung eines vorläufigen Statuts gewährte die Aufsichtsbehörde der Civilgemeinde Lobberich zur "Erreichung der geschwundenen Liquidität" einen Wechselkredit in Höhe von 75.000 RM auf die Dauer von drei Monaten. Mit diesem Kredit deckte die Kasse eine Reihe dringender Verbindlichkeiten ab. Die Beginn Juli aufgedeckten Unterschlagungen des mittlerweile entlassenen früheren Gegenbuchführers und ein Strafverfahren gegen einen weiteren Angestellten gestalteten die Verhältnisse in der Sparkasse immer schwieriger. Die entstandenen Verluste, wilde Zeitungsberichte, Abhebung von Sparguthaben (darunter ein Betrag in Höhe von 35.000 RM), Kündigung von Angestellten und Wechsel im Personal konnten die Sparkasse zwar erschüttern, nicht aber umwerfen.

Sparkassenleiter Dr. Dörner, seit 1. Mai im Amt, schaffte das schier Unmögliche. Mit Kündigung von Krediten im Gesamtbetrag von rund 50.000 RM und Kreditkürzungen im Laufe des Jahres 1926 war die Sparkasse wieder soweit liquide, daß sie überleben konnte. Die glücklich überwundenen Inflationsjahre 1918 - 1923 hatte unsere Wirtschaft zu einer Scheinblüte gebracht. Viele neue Geschäfte und Industrien waren entstanden, die eine Überproduktion an Waren bedingten. Als dann die Stabilisierung der Mark kam, und die Warenverschleuderung ins Ausland aufhörte, konnte es nicht ausbleiben, dass viele dieser Neugründungen liquidieren mussten. Gerade in dieser Stabilisierungskrise war es für die Kreditkunden der Sparkassen von größtem Nutzen, daß ihnen der bargeldlose Zahlungsverkehr zu Mitteln verhalf, die zumindest kurzfristige Ausleihungen ermöglichten. Erst 1926 hatte die Spartätigkeit soweit zugenommen, dass auch wieder an die Ausleihung langfristiger Mittel (Hypotheken) zu denken war.

Als sich Ende Oktober 1924 Sparkassenvertreter aus 28 Ländern anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Sparkasse der lombardischen Provinz in Mailand zum ersten Internationalen Sparkassenkongress trafen, fassten sie den Beschluß, als Ausdruck der Bedeutung der Sparsamkeit den Schlußtag des Kongresses, den 31. Oktober - zum Weltfeiertag der Sparkassen zu erklären. "Dieser Tag soll nicht ein Tag des Müßigganges sein, sondern ein Tag der Arbeit, an dem die Handlungen aller von dem Ideal der Sparsamkeit erfüllt sein sollen, ein Tag, der der Verbreitung dieses Ideals durch Beispiel, Wort und Bild geweiht ist", hieß es in der Resolution. 1.000.000.000.000 Papiermark waren noch eine Rentenmark wert. Es fehlte einfach der Mut, Geld als Zeichen der Zukunftssicherung "auf die hohe Kante" zu legen. Zu groß war das Mißtrauen. Nach dem Beschluss von Mailand galt es nun, dieses Misstrauen zu überwinden und Aufklärungsarbeit zu leisten. Als der erste "Weltspartag" in Deutschland am 30 Oktober 1925 begangen werden sollte wurde er durch die Proklamation der Reichsregierung mit der Unterschrift des damaligen Reichskanzlers Dr. Luther unterstützt.

Am 1.9.1926 gründet die Kreissparkasse Geldern in Hinsbeck eine Zweigstelle. Diese Zweigstelle wurde am 1.10.1955 von der Kreissparkasse Krefeld übernommen. Eine im Hinblick auf Krisenfestigkeit und Beschäftigungslage willkommene Ergänzung erfuhr die "auf das Wohl und Wehe eines Werkes" angewiesene Lobbericher Industrie im Bereich der Metallbranche, als 1929 die seit 1914 bestehende Firma ROKAL ihren Standort nach Lobberich verlegte. Dies Werk, das in jener Zeit vor allem Autozubehörteile herstellte und an FORD in Köln lieferte, brachte der Lobbericher Bevölkerung viele neue Arbeitsplätze.

Am 25.10.1929 erhielt die Sparkasse eine neue Geschäftsanweisung. Interessanteste Neuerung war, daß ab Ende Dezember d. J. alle Konten (ohne Sparkonten) nur noch vierteljährlich abgerechnet wurden. Knapp 3 Monate später schied Dr. Dörner als Rendant aus und A. Graefen trat seine Nachfolge an.

Das "Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes" von 1929 bewirkte die Auflösung von insgesamt 10 Kreisen, darunter die Landkreise Krefeld und Kempen. An ihrer Stelle entstand der neue Landkreis "Kempen-Krefeld". Die kommunale Neuordnung hatte Konsequenzen auch für die Sparkassen innerhalb des Kreises Kempen-Krefeld. Es bestanden nun zwei Kreissparkassen ein und desselben Gewährträgerverbandes (Kreissparkasse Crefeld, Kreis- und Stadtsparkasse Kempen). Die Kreissparkasse Krefeld wurde in "Spar- und Darlehnskasse des Landkreises Kempen-Krefeld zu Krefeld" umfirmiert.

Mit dem New Yorker Börsenkrach begann die Weltwirtschaftskrise, die schwerste Depression der Neuzeit. Die erste Stufe dieser Krise begann mit dem dramatischen Kurssturz vom Oktober 1929, der zum Startsignal einer schnellen konjunkturellen Talfahrt wurde. Anfang 1930 waren die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise am deutlichsten zu spüren. Ständiger Einlagenrückgang führte schließlich sogar zu Kreditkündigungen. Am 5.8.1931 erließ der Reichspräsident eine Verordnung über die Spar- und Girokassen. Dabei wurde die Höhe der Auszahlungen und die Beachtung der Kündigungsfristen neu festgelegt. Die wichtigste Bestimmung war jedoch, dass an die Öffentliche Hand keine Darlehn mehr herausgelegt werden durften.

Seit Juni 1931 fielen die Spareinlagen immer mehr. Auslöser war ein Ereignis in Österreich. Dort hatte die hochangesehene "Wiener Creditanstalt" ihre Zahlungen einstellen müssen und eine Finanzkatastrohpe konnte nur mit Hilfe staatlicher Stützungsaktionen verhindert werden. Auch die hiesige Presse berichtete darüber und die Sparer wurden unruhig. Am 13.7.1931 passierte es auch in Deutschland. Eine Großbank, die "Darmstädter Nationalbank" brach zusammen. Eine Kettenreaktion wurde ausgelöst, während der es durch einen panikartigen Sturm auf alle Banken und Sparkassen zum Kollaps des Zahlungsverkehrs kommt. Um den totalen Zusammenbruch zu verhindern, schließt die Regierung per Notverordnung alle Banken und Börsen am 14. und 15. Juli d.J. Angesichts einer Arbeitslosenzahl von fast 4 Millionen können auch die Zinsmaßnahmen vom selben Tag (Diskontsatz von 7 auf 10, Lombardsatz von 8 auf 15 Prozent heraufgesetzt) kaum Erfolg haben. Im Laufe des Monats geraten zahlreiche Banken in Europa in Zahlungschwierigkeiten und schließen vorübergehend ihre Pforten.

Im gesamten Deutschen Reich versuchte die Regierung weiterhin mit einem Bündel von Notverordnungen den Geldwert zu stabilisieren, damit der Zahlungsverkehr wieder in geordneten Bahnen verlaufen kann. Zu den Maßnahmen gehörte u. a. auch eine erneute Erhöhung der Leitzinssätze, die am 31. Juli 1931 ungewöhnliche Werte erreichen: Der Diskontsatz stieg auf 15, der Lombardsatz auf 20 %. Einen Tag zuvor wurde die Prägung von Fünfmarkstücken im Gesamtwert von 100 Millionen Mark genehmigt, um die Zahlungsmittelknappheit zu vermindern.

Für viele Sparkassen war dies "Rettung in höchster Not". Die Sparkassen hatten zwar für alle Fälle gut vorgesorgt und hohe "Reserveguthaben" bei ihrem Zentralinstitut, der "Landesbank der Rheinprovinz", unterhalten; aber was konnte das helfen, wenn die Landesbank selber zahlungsunfähig war?.

Nach der 7. Notverordnung vom 1.8.1931 wurde der Zahlungsverkehr wieder aufgenommen, allerdings mit erheblichen Beschränkungen. Sämtliche Auszahlungen blieben auf Höchstbeträge von einigen 100 Mark beschränkt. Der 5. August, der erste Bankverkehrstag nach der Krise nahm einen glatten Verlauf. Dennoch war auch bei der hiesigen Bevölkerung keine "Beruhigung" festzustellen. Die Abhebungen nahmen kein Ende und hielten sogar noch bis zum Frühjahr 1933 an. Anfangs war es die Sorge um das Guthaben selbst, später war es dann die Auswirkung der Wirtschaftskrise, die die Sparer an die Auszahlungsschalter trieben. Die Arbeitslosen brauchten ihre Reserven auf. 6 Millionen Arbeitslose wurden im Jahre 1932 gezählt.

Im Jahre 1932 wurde den Sparkassen die Rechtsfähigkeit (Anstalten des öffentlichen Rechts) verliehen. Es blieb jedoch bei der kommunalen Haftung und bei der Beteiligung des Gewährträgers (Gemeinde, Stadt oder Kreis) an vielen wesentlichen Entscheidungen, die die Sparkasse betrafen. Die Reform wollte es, daß die Sparkassen frei von Rücksicht auf den Gewährträger und Eigentümer, jene Entscheidungen treffen konnten, die ihre Wandlung von "Sparanstalten" zu Kreditunternehmen erforderlich machte. Gemäß den Regelungen der Sparkassenverordnung vom 20.7.1932 gehörten dem Vorstand der Sparkasse nunmehr außer dem Kommunalverbandsleiter als Vorsitzenden mindestens zwei zum Gemeinderat wählbare Personen und einem Angehörigen der Gemeinde an. Die Mitglieder der Sparkassenvorstandes der Sparkasse Lobberich im Jahre 1932 waren:

Sparkassenvorstand:
Clemens Boetzkes
Josef Josten
Johann Pellen
Ferdinand Pickers
Notar Dr. Veith
Heinrich Berrischen
Rendant:
A. Graefen

Am 30. Januar 1933 überraschte Reichspräsident Paul Hindenburg die Menschen in unserem Land, als er Adolf Hitler mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragte. Auch die Lobbericher Wahlberechtigten entzogen der bis dahin immer stärksten politischen Partei, dem Zentrum, das Vertrauen, als die bei der Wahl zum Gemeindeparlament am 12.3.1933 mit 1.508 Stimmen gleich 8 Nationalsozialisten in den Gemeinderat wählten. Den Vertrauensvorschuss, den viele Lobbericher in der verbreiteten Not Hitler entgegenbrachten, war überraschend groß. Haben doch die Ratsmitglieder in der ersten Sitzung nach der Wahl Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft von Lobberich angetragen.

Die Sparkassen als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute wurden nach der "Machtergreifung" am 30.1.1933 schnell und gründlich in die nationale Verwaltungswirtschaft integriert - ein Preis für die öffentliche Rechtsform und den starken kommunalen und damit bald nationalsozialistischen Einfluss. Die neue Reichsregierung sah im Sparen eine Grundvoraussetzung für die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft und insbesondere die Finanzierung des "Arbeitsbeschaffungsprogramms", der "Wiederwehrhaftmachung", der "Verbreiterung der nationalen Rohstoffgrundlagen" und der "Erzeugungsschlacht" (Geschäftsbericht des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes von 1935). Sparen wurde nicht mehr als eine individuelle im persönlichen Bereich des Sparers beruhende Vorsorge, sondern als nationale Pflicht angesehen. Bereits 1933 wurde der "Weltspartag" in einen nationalen Spartag umgestal-tet und unter das Motto:

                         "Spargeld schafft Arbeit und Brot -
           Geld hamstern ist Sabotage am nationalen Aufbau"

gestellt. Der Spargedanke wurde als "Kraftquelle der Nation" ideologisiert. (Geschäftsbericht des DSG) Die offizielle Propaganda konnte mit solchen Formulierungen an die traditionelle Sparideologie der Sparkassen: "Sparen als sittliche Haltung" anknüpfen. Doch für die Gemeinde Lobberich brachte das Jahre 1934 nicht den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung, der andernorts "dank der Initiative der nationalsozialistischen Regierung" eine gewaltige Senkung der Arbeitslosenziffer und ein Aufblühen von Industrie, Landwirtschaft, Handel und Gewerbe herbeiführte. Ab 1934 wurde neben der allgemeinen Sparpropaganda mit der Propagierung von Sondersparformen, nämlich dem "Reisesparen" (Abkommen des DSGV mit dr NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude"), dem "Arbeitsdank-Sparverkehr" (Markensparsystem für den Arbeitsdienst) und dem Deutschen Bauernsparbuch (für nicht den Erbhof übernehmende Bauernkinder). Später traten weitere Sparformen wie das Olympiasparen, das HJ-Sparen, das Wehrmachtssparen und das Eiserne Sparen (ein steuerbegünstigtes Sparen; Rückzahlung nach dem Endsieg) hinzu. Die Geschäftstätigkeit der Sparkassen musste sich zunehmend an den Bedürfnissen und Vorhaben des Staates ausrichten.

Lobberichs vor dem 1. Weltkrieg so blühende Samtindustrie beschäftigte nur noch 10 - 15 % der früheren Arbeiterzahl. Die Währungsentwertungen, die in vielen hochindustrialisierten Staaten vorgenommen wurden, sowie in gewissem Umfange auch der "Boykott" deutscher Waren durch das Ausland, beeinträchtigten das Auslandsgeschäft der hierauf fast ausschließlich angewiesenen Lobbericher Samtindustrie sehr. Hauptsächlich das örtliche Handwerk profitierte durch Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der "Reichszuschußaktion".

Gleich zu Beginn des Jahres 1934 erfolgte ein Wechsel in der Leitung der Sparkasse. Der bisherige Leiter A. Graefen, dem die Stelle des Direktors der Kreissparkasse Bernkastel-Cues übertragen wurde, schied aus den Diensten der Sparkasse aus. An seine Stelle trat mit Genehmigung des Regie-rungspräsidenten in Düsseldorf der Sparkassenverbands-Revisor Franz Zumbusch aus Köln-Mülheim. Ende Dezember d. J. schied der verdienstvolle Gegenbuchführer Heesen wegen eines schweren Nervenleidens aus. Diesen Posten übernahm der aus Lüdge in Westfalen stammende Obersekretär Heinrich Friese.

                   
                       Bürgermeister Leo Marx
                              (1933 - 1945)

Ende 1934 waren in Diensten der Sparkasse Lobberich 1 Beamter, 3 männliche, 3 weibliche Angestellte und zwei Lehrlinge beschäftigt. In der Betriebsorganisation wurden verschiedene Änderungen vorgenommen, die eine Erhöhung der Betriebssicherheit und des Dienstes am Kunden bezweckten: Einführung der Sofortkontierung bei Anfall der Geschäftsvorfälle, die Tagesbilanzierung, die Belegbuchhaltung, der Einsatz eines Einheitskontenplanes und die tägliche Zustellung der Kontoauszüge.

Insgesamt gesehen nahm das Jahr 1934 in der Geschichte der Sparkasse der Gemeinde Lobberich einen markanten Platz ein: Für die Sparkasse war es ein Jahr der Krisenwende und der Konsolidierung. Der Geschäftsbericht sagt aus, daß, "wäre es in diesem Jahre nicht gelungen, die Verhältnisse der Kasse so weitgehend zu festigen, es zweifelhaft sein würde, ob die Kasse als selbständiges Institut weiter hätte fortbestehen können".

Der Vorstand der Sparkasse (ehrenamtliches Kollegialorgan) bestand am 31.12.1934 aus folgenden Personen:

  • Leo Marx, Bürgermeister Vorsitzender
  • Ernst Jacobs, kfm. Angestellter Stellvertreter
  • Johann Derks, Kaufmann Mitglied
  • Konrad Friederichs, Kaufmann Mitglied
  • Karl Goebelsmann, Lehrer i.R. Mitglied
  • Josef Houben, Justizinspektor Mitglied
  • Jacob Inderhees, Metzger Mitglied
  • Willy Wustmann, kfm. Angestellter Mitglied

Die Geschäfte der Sparkasse gingen auch im NS-Staat weiter wie bisher. Die Zunahme der Spareinlagen - auch bei der Sparkasse Lobberich - war Ausdruck wachsender privater Ersparnis, die steigenden Giro-guthaben signalisierten die relativ hohe Liquidität der Wirtschaft. Beide Entwicklungen standen in enger Verbindung mit den Finanzierungstechniken der Kriegswirtschaft, die auf mehreren Schienen liefen wie z.B. der sog. "Arbeitsbeschaffungswechsel". "Wirtschaftsankurbelung" und Aufrüstung hatten Geld unter die Leute gebracht, das jedoch nach dem Willen der neuen Machthaber nicht für zusätzlichen Konsum ausgegeben, sondern gespart werden sollte. Die NS-Propaganda nahm sich des Sparens an und ließ es nicht an zündenden Parolen fehlen. Vielen sind die Worte des Reichwirtschaftsministers Schacht noch in guter Erinnerung:

          "Das Sparen ist nicht eine Privatsache des Einzelnen,
              sondern eine nationale Pflicht, die jeden angeht."

Sparen war das "Saatgut der Wirtschaft". Was jedoch tatsächlich aus dem Sparen erwuchs, war das größte Zerstörungspotential, über das Deutschland je verfügt hatte, das größte und das teuerste. Die steigenden Einlagen bei allen Kreditinstituten, insbesondere jedoch der Sparkassen dienten seiner Finan-zierung. Im Frühjahr 1935 verpflichteten sich die deutschen Sparkassen zur Übernahme von 500 Millionen Reichsmark sogenannter "Li-Anleihen". Diese Anleihen konnten auf die gesetzliche Liquiditätsreserve (begründet durch das Reichskreditwesengesetz von 1934) zur Hälfte angerechnet werden.

Daß die Sparkasse Lobberich in den wirtschaftlichen "Gesundungsprozeß" auf örtlicher Ebene mit einbezogen wurde, lässt sich aus folgendem ableiten: "Im Jahre 1935 wurde es notwendig, so der Geschäftsbericht der Sparkasse, die in den vergangenen Jahren angesteigerten Immobilien (Hotel-Restaurant Kessels und die Burg Ingenhoven mit dem etwa 9 Morgen umfassenden Park und Stallgebäude) gründ-lich instandzusetzen und zu renovieren". Das Hotel Kessels wurde vom Architekten Emil Moog aus Dortmund renoviert. Beide Massnahmen waren für die Lobbericher Handwerkerschaft in den doch sehr schwierigen wirtschaftlichen Zeiten eine große Hilfe. Etwa 40 (!) Handwerksmeister waren allein am Umbau und an der Renovierung des Hotels beteiligt. Im Zusammenhang mit der Renovierung der Burg Ingenhoven wurde für den Sparkassenleiter in der oberen Etage eine Dienstwohnung eingerichtet. Im Jahre 1936 wurde die Amtskasse (Gemeindekasse) in das Haus Ingenhoven verlagert und die Stallge-bäude an der Burgstraße zu einem Wohnhaus umgebaut.

Ende Dezember 1936 waren bei der Sparkasse der Gemeinde Lobberich folgenden Personen beschäftigt:

  • Franz Zumbusch Sparkassenleiter
  • Heinrich Friese stellv. Sparkassenleiter
  • Josef Brötsch Betriebskontrolleur
  • Heinrich Götte Kassierer
  • Adele Mom Stenotypistin (-30.4.36)
  • Aenne Berrischen Buchhalterin
  • Karl Stuckenborg Buchhalter
  • Josef Heesen Hilfskraft
  • Hans Lemper Lehrling
  • Ewald Weinforth Lehrling
  • Heinz Trittermann Lehrling
  • Heinrich Oudille Bote
  • Willi Schmidt Bote

Interessant ist auch die Höhe der Gehälter der Bediensteten:

  • Zumbusch 347,73 RM
  • Friese 232,24 RM
  • Brötsch 162,- RM
  • Götte 162,- RM
  • Mom 173,56 RM
  • Berrischen 150,30 RM
  • Heesen 200,- RM
  • Stuckenborg 88,38 RM
  • Lemper 26,52 RM
  • Weinforth 17,69 RM
  • Trittermann 35,03 RM

Zur weiteren Förderung des Sparsinns richtete die Sparkasse Lobberich 1936 die "Schulsparkasse" ein. Durch Erlass des Reichserziehungsministers vom 22.7.1936 wurden allgemein die Sparkassen dazu verpflichtet. Als besondere Werbemaßnahme wurde an die Eltern aller, seit Januar 1933 in Lobberich geborenen Kindern, Geschenkgutscheine über je 3 RM ausgegeben (insgesamt 427 Stück).

Am 1.8.1937 schied Franz Zumbusch - zunächst im Wege der Beurlaubung - aus den Diensten der Sparkasse aus. Mit der Führung der Leitergeschäfte wird kommissarisch Heinrich Friese betraut. Im Geschäftsbericht der Sparkasse von 1938 liest man erstmals von Lobberich der "Seenstadt am Niederrhein":

"Lobberich, eine alte Landgemeinde, die durch 5 herrliche 700 Morgen große Seen
seinen Namen als "Seenstadt am Niederrhein" mit Recht verdient, zählte am 31.12.38 7.196 Einwohner."